New-Work-Konzept aus der Praxis: Eine Agentur geht voran

Managing Director und Gründer Markus Biermann hat sich mit stellenanzeigen.de über das New-Work-Konzept der CROSSMEDIA, welches seit dem 1. Januar 2022 für Gesprächsstoff in der Medienbranche sorgt, unterhalten:

New Work, neue Arbeitsformen, Arbeitswelt 4.0 – egal, wie man es nennt, unsere Arbeitswelt verändert sich akut. Während viele Unternehmen hinter dem schicken Aushängeschild „New Work“ nicht viel mehr als ein bisschen Homeoffice und eine Rabattkarte im Fitnessstudio für ihre Mitarbeiter verstecken, wagen andere Firmen einen drastischeren Wandel. Ein Beispiel aus der Praxis ist die Media-Agentur Crossmedia mit Hauptsitz in Düsseldorf.

Reduktion der Arbeitszeit auf eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, Gleitzeitmodell mit Überstundenausgleich, freie Wahl des Arbeitsorts – so sehen die Eckpunkte des „Future-Work“-Konzepts bei dieser Media- und Kommunikationsagentur aus. Seit Januar 2022 lebt das Unternehmen dieses Konzept; zunächst im Rahmen einer sechsmonatigen „Probezeit“. Nach Abschluss des Testlaufs ergab eine Mitarbeiterbefragung hohe Zustimmungs- und Zufriedenheitswerte mit dem neuen System, das somit beibehalten wurde.

Wir konnten mit dem Gründer und Geschäftsführer Markus Biermann über dieses gelebte und mittlerweile fest implementierte Modell der „Neuen Arbeit“ in der Praxis und über seine Erfahrungen damit sprechen.

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„Herr Biermann, wie entstand die Idee zu dem neuen Arbeitsmodell?“

„Die Agenturbranche hat ein Riesenproblem: Fachkräfte sind rar geworden und es herrscht ein Wettstreit um die besten Leute. Attraktive Arbeitszeitmodelle sind – neben vielen anderen Faktoren – ein starkes Element im War for Talents. Nicht zuletzt Corona hat uns gezeigt, dass Arbeit in Zukunft anders gedacht werden muss. Die Arbeit muss zum Leben passen, nicht umgekehrt. Bereits im ersten Pandemiejahr haben wir begonnen, uns im Dialog mit unseren Mitarbeitenden damit auseinanderzusetzen, wie ein selbstbestimmteres, flexibleres Arbeiten möglich werden kann. In der darauffolgenden Konzeptionsphase haben wir unseren individuellen Ansatz entwickelt.

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„Welche Gleitzeit- und welche Überstundenausgleichs-Regelungen gab es bei Crossmedia vor Implementierung des neuen Konzepts?“

„Konkrete Überstunden-Regelungen über die gesetzlichen Vorgaben hinaus waren in der Agenturbranche bislang eher unüblich. Wir haben allerdings schon immer darauf geachtet, dass nach Phasen intensiverer Belastung Phasen mit geringerer Belastung folgen sollten und haben unsere Leute dafür sensibilisiert, selbstverantwortlich für den Ausgleich zu sorgen. Gleitzeit-Regelungen gibt es bei uns schon lange: Arbeitsbeginn und Arbeitsende dürfen im Einklang mit dem individuellen Alltag und in Abstimmung mit Team und Kunde zwischen 7.30 und 20 Uhr liegen.

Mit dem neuen Arbeitskonzept haben wir nun erstmals unser Zeiterfassungssystem so angepasst, dass Plus- und Minusstunden direkt erfasst und gegeneinander aufgerechnet werden, so dass jeder Mitarbeitende mit einem Blick aufs eigene Zeitkonto sofort sehen kann, wo er gerade steht. Die Gleitzeit haben wir außerdem auf Wochenebene ausgedehnt: So kann die wöchentliche Arbeitszeit flexibel zwischen vier und sechs Tagen erbracht werden. Der Samstag steht neu als möglicher Arbeitstag zur Verfügung.“

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„Aus welchem Grund wurde die wöchentliche Arbeitszeit reduziert?“

„Das Future-Work-Konzept ist unser Versuch einer Antwort auf eine neue Realität am Arbeitsmarkt. Die GenZ legt mehr Wert auf die eigene Selbstverwirklichung als auf eine steile Karriere und auch für bestehende Belegschaft verliert die in der Agenturbranche vielerorts immer noch gelebte ‚Work hard, play hard‘-Kultur immer mehr an Reiz. Wir sind der festen Überzeugung, dass es in Zukunft um etwas anderes gehen muss als um „höher, schneller, weiter“, wenn wir uns nicht als Branche selbst zugrunde richten wollen. Es muss darum gehen, nachhaltig miteinander zu wirtschaften. Und nur, wenn der Mensch im Mittelpunkt steht, hat das Agenturmodell Zukunft.“

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„Eine Schwierigkeit flexibler Arbeitsmodelle kann die Erreichbarkeit der Kollegen untereinander sein, wenn es sehr flexible Arbeitszeiten gibt. Wie ist Ihre Erfahrung hierzu?“

„Kommunikation innerhalb des Teams ist noch wichtiger als zuvor, denn Transparenz über Jobs und Anwesenheiten ist gerade in flexiblen Zeiten unerlässlich. Bei der Aufgabenverteilung macht es zudem Sinn, Tandems zu bilden, damit im Notfall immer jemand ansprechbar ist. Durch unsere Kernarbeitszeiten ergibt sich immer ein ausreichend großes Zeitfenster, in dem man sich abstimmen kann. Das erfordert etwas mehr Struktur und Planung als vorher, trägt aber durchaus zur Effizienz bei. Teilzeitkräfte – in der Vergangenheit häufig Mütter – profitieren außerdem durch die Flexibilisierung der Arbeitszeiten aller, da sie nun nicht mehr als Einzige ‚anders‘ arbeiten. Das ist ein wichtiger Schritt für mehr Gleichheit.“

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„Sie sprechen von ‚ersten positiven Auswirkungen‘ des neuen Systems. Welche sind das?“

„Schon vor Corona waren alternative Arbeitszeitmodelle, Job-Shares und Homeoffice-Lösungen gelebter Alltag bei uns. Mit der 35-Stunden-Woche wollten wir nun einerseits auf die Anforderungen einer neuen Arbeitswelt und vor allem auf die Wünsche unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingehen. Unsere Leute sollen die Chance bekommen, ihre Tätigkeit in ihre produktivste Tagesphase zu legen und ihre Arbeit freier bzw. selbstbestimmter zu gestalten. So ermöglichen wir eine bessere Work-Life-Balance, die insbesondere Menschen mit alternativen Arbeitskonzepten wie Teil- oder Elternzeit oder Jobshares unterstützt, mit dem Ziel, insgesamt auch dem Gender-Gap entgegenzuwirken und gleichberechtigte Chancen von Karriere und Familie für alle zu schaffen.

In unserer internen Umfrage nach Abschluss der Testphase haben 88 % der Teilnehmenden angegeben, dass sie mit der Flexibilisierung der Arbeitszeit bestens zurechtkommen und dass die Qualität ihrer Arbeit sowie die Kundenzufriedenheit auch bei geringerer Arbeitszeit positiv ist. Darüber hinaus bestätigen 60 %, dass ihre Motivation seit der Einführung deutlich gestiegen ist, da sie sich u. a. wertgeschätzter fühlen. 58 % geben zudem an, dass ihre Produktivität zugenommen hat.“

„Also viel positives Feedback zu dem neuen Arbeitsmodell. Gibt es denn bereits jetzt auch konkrete, objektiv messbare Vorteile für das Unternehmen – neben dem individuellen Wohlbefinden der Mitarbeiter?“

„Unser Konzept hat einen Nerv getroffen. Das zeigen sowohl die Reaktionen unserer Belegschaft als auch die unserer Kunden und der Branche. Von Kunden sind wir beispielsweise gebeten worden, unsere Hintergrundüberlegungen und Learnings mit ihnen zu teilen, weil sie sich selbst gerade in einem New-Work-Transformationsprozess befinden. Sie haben uns gezielt als Sparringspartner und zum Erfahrungsaustausch angefragt.“

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„Was denken Sie persönlich: Welches Arbeitsmodell wird sich durchsetzen? Wie ’new‘ wird ‚work‘ tatsächlich sein – in fünf Jahren?“

„Was wir heute als ‚New Work‘ bezeichnen, wird sicherlich in fünf Jahren schon wieder leicht anders aussehen. Dennoch glaube ich an das, was wir hier gerade machen – auch langfristig.

Durch die maximale Flexibilisierung, wie Reduzierung der Arbeitszeit und die freie Wahl des Arbeitsortes, gewinnen unsere Mitarbeitenden mehr Souveränität in ihrer Lebensgestaltung. Das möchte niemand mehr missen. Da unser Ansatz auf Eigenverantwortung baut, bringen wir den Mitarbeitenden das maximale Vertrauen und damit eine besondere Form der Wertschätzung entgegen. Im Fokus des Modells steht zweifellos die Zufriedenheit des Menschen. Denn mit den richtigen Rahmenbedingungen bleiben Leidenschaft und Begeisterung erhalten und es entsteht Arbeit, die unsere Kunden überzeugt.

Unserer Ansicht nach kann ein Unternehmen nur so konkurrenzfähig und als Arbeitgeber auch attraktiv bleiben. Das gilt auch in fünf Jahren noch.“

Fazit

Ohne Zweifel befinden sich Arbeitswelt und Firmenkultur gerade in einem großen Umbruch. Es ist ein spannender Prozess, zu sehen, wie sich Arbeitswelten verändern, welche Auswirkungen die Umorganisation des Arbeitsalltags hat und was mittlerweile alles möglich ist. Um diese Erfahrungen sammeln zu können und daraus wertvolle Schlüsse zu ziehen, braucht es Unternehmen, die den Mut haben, voranzugehen und neue Konzepte zu erproben.

Das vollständige Interview lesen Sie auf stellenanzeigen.de oder als PDF-Artikel.

Foto 1: Markus Biermann | © Jan Ladwig
Foto 2: Grafik New Work bei CROSSMEDIA
Foto 3: Arbeitssituation | © Jan Ladwig
Foto 4: Kaffetalk | © Jan Ladwig