Retail Media auf dem Weg zum Big Player

Aus dem einst eher unscheinbaren Segment Retail Media ist inzwischen ein milliardenschweres Business geworden, das auf dem besten Wege ist, sich zu einem der Big Player aufzuschwingen. Unser Director Growth Jens Schnückel teilt ihm Rahmen einer Expertenumfrage in der aktuellen Ausgabe der new business seine Einschätzungen, Beurteilungen und Erwartungen zum Thema mit:

Retail Media ist schwer im Kommen. Die vom BVDW Mitte September 2022 gestartete Initiative Retail Media wird von den Media-Agenturen durchweg begrüßt, aber zugleich wird mehr Professionalität gefordert. Aus dem einst eher unscheinbaren Segment Retail Media ist primär dank Amazon inzwischen ein milliardenschweres Business geworden, das auf dem besten Wege ist, sich zu einem der Big Player aufzuschwingen. Die Gründung der Initiative Retail Media durch den Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) kurz vor der DMEXCO war nicht nur ein längst überfälliger, sondern auch ein ausgesprochen schlauer Schachzug. An unserer Umfrage zur Bedeutung von Retail Media haben sich vier Media-Agenturen/Experten beteiligt. Ihre Einschätzungen, Beurteilungen sowie Erwartungen zei-
gen den Rahmen auf, in dem sich das Retail Media-Business in den kommenden Monaten bewegt.

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new business: Was erwarten Sie von der Initiative Retail Media?

Jens Schnückel: Retail Media ist in aller Munde und das zu Recht. Anders als Google und Facebook hat der Handel ein dezidierteres Daten-Wissen von seiner Kundschaft und ihrem realen Kaufverhalten. Die Komplexität dahinter ist aber eine echte Herkules-Aufgabe. Allein schon die Frage nach dem was bis dato als klassische WKZ-Einnahmen über den Einkauf gesteuert wird und ob und wie das getrennt zukünftig zum Retail Media-Geschäft zu managen ist, ist alles andere als trivial. Die Attraktivität und der Aggregatzustand der Off– und Onlinedaten sind, Stand heute, bei jedem Händler extrem unterschiedlich. Gleiches gilt generell für die geschäftliche Ausrichtung und Retail Media Business-Perspektive. Letztlich ist der Schritt vom Händler zum Retail-Media-Anbieter über alle dafür notwendigen Gewerke hinweg ein sehr großer. Dem gegenüber stehen die puren Online-Retail-Media-Schlachtschiffe von Amazon & Co. mit einem bereits sehr
ausgereiftem Retail-Media-Kosmos. Aktuell kocht jeder Händler sein eigenes Retail Media-Süppchen – das macht es für Mediaagenturen und Werbekunden alles andere als einfach. Genau hier liegt die große Erwartungshaltung an die neue BVDW-Initiative. Es gilt der perspektivisch extrem schnell wachsenden Kategorie und der damit einhergehenden Fragmentierungsgefahr durch Standardisierung auf allen Ebenen entgegenzuwirken.

nb: Welche Aufgaben sollte die Initiative Retail Media vorrangig in Angriff nehmen?

Schnückel: Es geht zunächst um das kleine Media 1×1: einheitliche Formate, KPIs/Metriken, Preis- und Messlogiken für alle Marktteilnehmer. Hier eine Standardisierung zu schaffen und auch eventuell kanalspezifische Lösungsansäte zu entwickeln, ist die erste zentrale Aufgabe. Insbesondere, wenn nach der Branchen-Primus-Riege auch kleinere Händler in das Geschäft einsteigen, gilt es den Zugang nicht nur zu erleichtern, sondern von Anfang an ein verlässliches, einheitliches Mindest-Qualitätslevel sicherzustellen. Die Benchmark ist Amazon!

nb: Für welche Aufgaben-Stellungen bzw. Kommunikationsziele eignet sich der Kanal Retail Media am besten?

Schnückel: In erster Linie geht es dabei um den Lower Funnel, also um Kampagnen, die kaufstimulierende Funktion haben. Da spielt Retail Media ihre Trümpfe aus. Insbesondere dank der Verzahnung aus On- und Offline. Das gilt für Produkte aus der jeweiligen Kategorie, aber auch für Angebote aus anderen Branchen mit entsprechendem Zielgruppen. Ein großer Vorteil: Mit Retail Media können Brands schon mit einem kleinen Invest durch Performance-Marketing die Visibility im Shop erhöhen, schrittweise lernen und optimieren. Erste Erfolgscases zeigen darüber hinaus, dass auch im Mid und Upper Funnel via Retail Media gepunktet werden kann, auch wenn hier nicht der Haupteinsatzweck liegt.

nb: Welche Bedeutung hat Retail Media im Media-Mix?

Schnückel: In einer Welt ohne Cookies gewinnen die First Party Owner. Das ist das übergeordnete Momentum für Retail Media. Es geht darum, dass Marken einen Zugang zur gesamten, realen Customer Journey erhalten. Derzeit noch stark als Performance-Kanal wahrgenommen, kann Retail Media aber schon jetzt mehr – das sieht man an „Sonderformaten“ wie z. B. dem Douglas Beauty
Tester, aber auch den Otto Retail Media Upper-Funnel Produkten bei DOOH und ATV. Da entsteht eine Media-Angebotsvielfalt, die einen festen und vor allem wachsenden Platz im Media Mix einnehmen wird. Die gil natürlich nur für Marken, für die die First Party-Daten eine
Relevanz haben.

nb: Für welche Branchen eignen Retail-Media-Investments am besten?

Schnückel: Zunächst mal branchenunabhängig: Letztlich kann jede Marke, die bei dem jeweiligen Händler gelistet ist, kurzfristig Sales und Sichtbarkeit für Produkte aufauen, aber auch long-term Marken präsent platzieren. Für non-endemic Brands (nicht im Shop gelistet) ist es schon schwieriger: Hier muss der Markenfit zur Händler-Zielgruppe gegeben sein. Die Zukunft ist hier das Datenselling, bei dem der Fit dann weniger eine Rolle spielt.

Zum Print-Artikel

Das vollständige Interview mit Jens Schnückel und weiteren Experten lesen in der new business, Ausgabe 41/2022.

© Jan Ladwig