So will die Gattung Kino im Jahr 2024 weiter wachsen

Die kleinste Werbegattung mausert sich aus dem Corona-Tief und gewinnt wieder an Fahrt. Über diese Entwicklung freut sich auch Sven Büteröwe, Client Service Director bei CROSSMEDIA, doch ist Kinowerbung für ihn noch nicht gänzlich über den Berg. Weshalb gerade Recruiting-Kampagnen im Kino jedoch besonders gut funktionieren, verrät er im HORIZONT-Artikel:

Raus aus dem Corona-Tief: Die kleine Mediengattung Kino behauptet sich mit zweistelligem Wachstum und attraktiven Zielgruppen im Markt. Besonders Recruiting-Kampagnen stehen aktuell im Scheinwerferlicht.

Fast sechs Millionen Menschen: So viele Zuschauerinnen und Zuschauer lockte „Barbie” im vergangenen Jahr in die deutschen Kinos. Damit ist die gesellschaftskritische Komödie von Greta Gerwig, die Lichtspielhäuser, Werbeblöcke und selbst Vermarkter pink färbte, der meistbesuchte Film 2023. Lässt sich das toppen? In welcher Farbe und vor allem wie stark werden die Kinosäle in diesem Jahr leuchten – in diesem so schwierigen wirtschaftlichen Umfeld, während einer Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land?

Stefan Kuhlow, CEO von Vermarkter Weischer.Cinema, ist wie immer optimistisch, aus vielen Gründen: Zum einen blickt er auf zwölf erfolgreiche Monate zurück, in denen sein Unternehmen um 22 Prozent zulegen konnte. Insgesamt flossen 2023 rund 118 Millionen Euro in Kinowerbung, was einem Marktanteil von knapp 0,3 Prozent entspricht. Zum anderen erwartet er ein Jahr, das durchgängig von sehr guten Filmen geprägt sein wird. Wer „die neue Barbie” sein wird, vermag Kuhlow zwar noch nicht zu prognostizieren, sieht aber für viele Starts ein Potenzial von über einer Million Besucherinnen und Besuchern. „Barbie und Oppenheimer haben uns im letzten Jahr gezeigt, wie stark und kurzfristig das Marketing von Filmen mittlerweile von Social Media beeinflusst wird”, sagt der Weischer-Manager.

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Wäre da noch die weitaus mächtigere Konkurrenz der Streaming-Plattformen, die der kleinsten Gattung im Werbemarkt mit ihren riesigen Budgets und den massiv steigenden Nutzerzahlen seit einigen Jahren das Wasser abgraben will. Doch eine feindliche Übernahme ist im Frühjahr 2024 unwahrscheinlicher denn je, nachdem sich sogar Disney längst wieder dazu entschieden hat, neue Filme zuerst im Kino und nicht wie während der Pandemie zuallererst auf dem hauseigenen Streamingdienst zu zeigen.

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Entwicklungen wie diese und der stärkere Einfluss von Social Media führen dazu, dass die Jugend die stimmungsvollen Kinosäle für sich entdeckt. Vor allem die Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen erreicht die Gattung jetzt noch besser als vor der Coronakrise, in der die Lichtspielhäuser monatelang geschlossen waren. Das hat Auswirkungen auf den Werbemarkt, der an allen Orten um genau diese Konsumentinnen und Konsumenten buhlt. Besonders gut funktionieren Kuhlow zufolge gerade Recruiting-Kampagnen, wie das Beispiel der Nagel Group zeigt. Der größte Food-Logistiker Deutschlands warb bis November 2023 mit einer regionalen Kinokampagne um neue Mitarbeitende. Ziel war es, das Unternehmen als attraktive Arbeitgebermarke vorzustellen und potenzielle Bewerber anzusprechen. Der Spot wurde von März bis November 2023 in rund 20 Städten ausgespielt, die sich im Umfeld der regionalen Niederlassungen befinden. Laut der Nagler Group war das Feedback auf die Kampagne überaus erfreulich. Die Spots hätten zu einer steigenden Zahl an Bewerbungen und vielen positiven Reaktionen geführt. „Überall dort, wo die Wirkung von Kinowerbung direkt sichtbar ist, ist Kino in den Mediaplänen gesetzt”, sagt Kuhlow. Besonders im regionalen Bereich wachse Weischer.Cinema deshalb gerade zweistellig.

Auch Sven Büteröwe, Client Service Director bei der Mediaagentur Crossmedia, setzt die Gattung vermehrt für Recruiting-Kampagnen ein, „da Kino durch die visuelle, immersive Präsentation einen positiven Effekt auf die Wahrnehmung des Unternehmens hat”. Gerade aktuell werde die Bevölkerung regelmäßig und überall mit verschiedenen Jobangeboten unterschiedlichster Unternehmen konfrontiert, aber nur die wenigsten Anzeigen würden herausstellen, warum man gerade bei dieser oder jener Firma arbeiten sollte. Im Kino gelinge das dagegen sehr gut. „Zudem ist es möglich, bei Bedarf regional auszusteuern. Daher ist Kino nicht mehr nur für Kunden aus der Unterhaltungsindustrie und dem FMCG-Bereich relevant, sondern im Prinzip für fast alle Branchen mit dem Ziel Recruiting”, sagt Büteröwe.

[…] Aber aktuell kann sich Kino im Vergleich zu den anderen Gattungen auf zwei wichtige Stärken stützen: Aufgrund der Nähe zu bestimmten Filminhalten kann es bestimmte Zielgruppen nahezu garantieren, die besonders dem klassischen Fernsehen längst abhandengekommen sind. Zudem rechnet Weischer nur nach tatsächlichen Besucherzahlen ab, nicht nach Hochrechnungen. Deshalb ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Gattung, wenn auch auf vergleichsweise niedrigem Niveau, selbst in einem rezessiven Jahr wie 2024 weiter wachsen kann.

Davon geht auch Crossmedia-Manager Büteröwe aus, führt aber auch kritische Aspekte an. Zwar stehe die Werbewirkung von Kino, etwa aufgrund der großen Leinwand und der hohen Aufmerksamkeit der Betrachtenden, außer Frage. Aber „gerade ein im Vergleich zu anderen Bewegtbildangeboten teures Medium wie Kino ist stark von der wirtschaftlichen Situation eines Landes abhängig, da es selten die erste Gattung im Mediaplan ist, sondern in den meisten Fällen die sogenannte Kirsche auf der Torte.” Heißt: Muss gespart werden, begnügt man sich mit Rührkuchen. Und obwohl sich im Bereich Programmatic in den letzten Jahren viel getan habe, fehle es noch an unabhängigen Studien, inwiefern der programmatische Einkauf effizienter als die klassischen Buchungsmöglichkeiten ist. „Ich sehe die Gefahr, dass ein eh schon teures Medium durch den programmatischen Einkauf noch teurer wird, ohne eine messbare und nachvollziehbare Verbesserung des Kampagnenziels zu erreichen.”

Zum Online-Artikel

Der Artikel mit Sven Büteröwe ist auch in der HORIZONT unter dem Titel „Erst das Vergnügen, dann die Arbeit” erschienen – Nr. 8-9/2024, 22. Februar 2024.