Brief und Siegel

Die Debatte über Transparenz im Markt der Media-Agenturen nimmt kein Ende. CROSSMEDIA wagt nun den eigenen Vorstoß.

Monatelang wird nun schon diskutiert: Über den Betrugsfall um Ex-Aegis-Chef Alexander Ruzicka, über die Sharedeal-Ermittlungen des Bundeskartellamts gegen die beiden großen TV-Vermarkter IP Deutschland und SevenOne Media und über die Usancen im deutschen Mediamarkt im generellen. Als erste Media-Agentur zieht nun die Düsseldorfer Crossmedia die Konsequenzen und lässt sich jedes Jahr von unabhängigen Wirtschaftsprüfern durchleuchten. Das Ergebnis ist ein Transparenzbericht, der vor allem den Umgang mit Naturalrabatten unter die Lupe nimmt und nun für 2007 erstmals auf dem Tisch liegt.
Damit treffen die Düsseldorfer den Nerv der Zeit: Die Freispotkontingente werden nicht nur Kunden als Rabatte oder zur Leistungskompensation gewährt. Naturalrabatte stellen als Kickbacks aber auch eine wesentliche Erlösquelle der Media-Agenturen dar, indem sie diese nach Gutdünken an ihre Kunden weiterverteilen oder verkaufen können (w&v 41/07). Im neuen Marktmodelle der SevenOne Media sind keine Freispots mehr vorgesehen – weder für Kunden noch für Agenturen. IP dagegen will damit verfahren wie bisher – auch als Vergütungsart für die buchenden Agenturen (w&v 42/07). Die Diskussion dürfte den Markt noch länger beschäftigen.
Crossmedia-Chef Markus Biermann ist sich bewusst, dass sein Vorstoß kein Allheilmittel für die Probleme des Markts ist, sondern nur ein einzelner Beitrag. „Die zunehmende Praxis, dass Medien an Agenturen Incentives zahlen, um ihren Marktanteil künstlich zu erhöhen, führt zu einem Interessenskonflikt, der mit unabhängiger Beratung unvereinbar ist“, so der Agenturinhaber. Für die werbungtreibenden Kunden sei der Schaden, der durch eine profitgesteuerte Planung der Agenturen entstehen könne, meist nur schwer erkennbar. Der Bericht dokumentiere, „dass wir die von den Medien erhaltenen Vorteile an die Kunden weitergeben, dass wir keine Kickbacks von Medien erhalten und sie für uns einsetzen, dass wir keine Anteile an Medien halten und dass Mitarbeiter auf Leitungsebene keine persönlichen Vorteile von Medien annehmen“.
Es geht dabei auch wieder um die Frage, in welcher Rolle die Media-Agentur auftritt: Ob als Treuhänder des Kunden oder als Zwischenhändler. Das IP-Modell überlässt die Wahl den Kunden. Biermann auch. Zwar sei der beratungs- und medienneutrale Ansatz gemäß dem Treuhandmodell seit mindestens sechs Jahren Herzstück der Positionierung von Crossmedia. Für Kunden aber, die von den Vorteilen eines gebündelten Buyingpools profitieren wollen, besteht ein Dienstleistungsvertrag mit der Wiesbadener Aegis Media. Rund 30 bis 40 Prozent des Crossmedia-Volumens werden über das Network eingekauft.

Freispots in Pitch-Schlachten
Naturalrabatte waren bislang eine wichtige Erlösquelle der Media-Agenturen
Für ihr Buchungsvolumen erhielten die Agenturen von vielen Medien Provisionen in Form von Freispots (Kickbacks). Die Naturalrabatte konnten die Media-Agenturen an ihre Kunden durchreichen, sie weiterverkaufen oder in Pitches einsetzen, um ihr Konditionenangebot zu verbessern. Letzteres hat zu einer Wettbewerbsverzerrung geführt, die vor eineinhalb Jahren in Pitch-Schlachten mit unrealistischen Angeboten eskalierte. Die Organisation Werbungstreibende (OWM) fordert seit langem, dass Media-Agenturen ausschließlich von ihren Kunden bezahlt werden sollten. Zum Überleben braucht eine Agentur aber mindestens 3,5 Prozent Provision. Das aber wollen viele Kunden nicht zahlen.

Ein Widerspruch? „Gerade die Auslagerung des Einkaufs der Brokermedien, diese von uns seit 2001 praktizierte Trennung von Mediaplanung und Einkauf, verschafft uns eine hundertprozentige Unabhängigkeit“, beteuert Biermann. Der Transparenz garantiere, „dass wir auch von Firmen keine Kickbacks nehmen, die wir mit dem Einkauf unserer Kunden betreuen“. Die Vorteile aus dem Pool würden alle an die Kunden durchgereicht. „Was wir nicht sehen, ist die Handelsmarge des Pools“, erklärt Biermann. Hier stießen Treuhand und Brokersystem zusammen.
Die Düsseldorfer beziehen mit ihrem Vorstoß auch gegen die Position der Organisation Media-Agenturen (OMG) Stellung, obwohl sie auch Mitglied sind. So hat der Branchenverband Anfang September Media-Agenturen als eigenständige Handelsstufe definiert. Biermann ist sich dessen bewusst: „Im Gegensatz zur OMG bekennen wir uns zum treuhänderischen Prinzip, also zur unabhängigen Beratung und zu einem Mediaeinkauf, in dem alle Vorteile verursachungsgemäß den Kunden zu Gute kommen.“ Grund genug um auszutreten? „Wir wären doch dumm“, meint der Crossmedia. „Wir möchten uns nicht die Chance auf Mitgestaltung nehmen.“
Sonja Feldmeier