Auch das digitale Business ist lokal

Axel Ahlbrecht diskutiert im Interview über die heutige Relevanz der traditionsreichen Maxime "All business is local":

Weltweit aktive Internetkonzerne suggerieren wenige Chancen für das lokale Business. Doch Marketing- und Mediaexperten aus Deutschland bewerten regionale Werbeaktivitäten nach wie als entscheidend und wichtig, solange sie innovativ sind.

new business: „All business is local“ – gilt diese traditionsreiche Maxime auch noch heute in einer Welt, in der vieles nur einen bzw. wenige Klicks entfernt ist? Wenn ja, in welcher Form bzw. für welche Märkte/Branchen ganz besonders?

Axel Ahlbrecht: Das kann ich mit einem ganz klaren JA! beantworten. Regionale und lokale Werbung ist gerade für den Handel unverzichtbar, das gilt insbesondere für die Tagezeitung und die Anzeigenblätter. Beide Medien sind nahezu flächendeckend in den Haushalten (auf regionaler und lokaler Ebene) verfügbar. Man muss sich vielleicht einmal davon frei machen, dass die Einkäufe über Online-Anbieter die Zukunft komplett beherrschen werden. Sicher muss man zwischen einzelne Branchen unterscheiden. Pauschalreisen/Flüge kann man gut vergleichen und dann zum vermeintlich besten Preis buchen. Gleiches gilt für Büromaterial, Elektronik, Werkzeug etc., also für die Dinge, bei denen ich genau weiß, was ich will und die ich mich ggf. schon vorher im Geschäft informiert habe. Deshalb reagieren die Händler auch schon des Öfteren nach dem Motto: Bestelle im Netz und hole die Ware in der Filiale ab. Wenn wir über Textilien reden, sieht die Sache auch schon ein wenig anders aus. Viele Verbraucher bestellen ja erst einmal fünf Hosen und schicken dann vier zurück, der Händler trägt dann die Portokosten. Hier werden heute schon die Besteller geclustert und entsprechend bewertet, gleiches gilt für die Bonität. Viele dieser „Materialprüfer“ werden sich in Zukunft nicht mehr die große Auswahl nach Hause schicken lassen können. Hier ist dann wieder die Filiale vor Ort angesagt. Die Umsatz-Zahlen zwischen dem HDE und dem bevh sind doch unterschiedlich. Fakt ist, wir reden im Moment von vielleicht 3,3 Prozent am Gesamtumsatz des Handels (lt. Statista) im B2B-Bereich.

new business: Welche Produkt-Kategorien passen besonders gut zum Kommunikationskanal „Regionale Tageszeitung“? Wie wirken sich hier die digitalen bzw. mobilen Kanäle der regionalen Tageszeitung aus?

Axel Ahlbrecht: Es lässt sich nicht pauschal sagen, welches Produkt hier passt. Das kommt auf die gesamte Marketingstrategie des Unternehmens und des Produktes an. Ich würde der Billigtextilkette Zeeman nicht unbedingt empfehlen in der Süddeutschen Zeitung eine Anzeigenkampagne zu starten. Wie immer gilt auch hier, die Leser der TZ sollten die Zielgruppe in großen Teilen abbilden. Auch eine Solobetrachtung der digitalen Kanäle der TZ wäre falsch, hier gehören zielgruppengerechte Planungen dazu. Theoretisch könnte man fast alle Produkte in der TZ bewerben, wird aber nicht gemacht, da die absoluten Kosten (bundesweit) zu hoch sind. Auch deshalb fallen die TZ aus vielen Mediaplänen raus und sind auch nicht im Fokus der Planer. Es gibt interessante Angebote am Markt, man muss diese nur finden. Die Planung und Umsetzung (Kunde, Agentur und Medium) sind manchmal nicht ganz einfach und kosten Zeit.

new business: Mit welchen anderen Medien bzw. Medien-Kanälen lassen sich die regionalen Tageszeitungen besonders gut kombinieren?

Axel Ahlbrecht: Hier sind die Medienhäuser vor Ort gefragt. Häufig gibt es schon gute crossmediale Angebote, die zusammen mit den Häusern entwickelt werden. Auch hier kann man keine pauschale Antwort geben, das hängt vom Produkt und der Aktion ab. Soll es nur rein Print sein, sind die Anzeigenblätter vor Ort eine sehr gute Verlängerung der Aktionen. Im besten Fall erkennt der Verbraucher nicht, was hier das „Leitmedium“ ist. Verlängerungen in Funk, OoH und Online sind natürlich auch gute Möglichkeiten Aktionen zu verlängern – rein auf ursprüngliche TZ-Kampagnen bezogen.

new business: Welche Zielgruppen werden von den regionalen Tageszeitungen und ihren digitalen/mobilen Angeboten besonders gut erreicht bzw. angesprochen?

Axel Ahlbrecht: Tendenziell sind die TZ-Leser ein wenig älter und vom Einkommen besser bestellt. Dem müssen die Medien Rechnung tragen und sich weiterentwickeln. Der klassische TZ-Leser, wie er heute noch existiert, wird aussterben. Deshalb stellt sich auch die Frage, ob die gedruckte Version der TZ in Zukunft auch jeden Tag erscheinen muss. Brandaktuelle Infos (z.B. Katastrophen) werden über die Onlineportale (TZ/AZB) und den Lokalfunk sofort verbreitet. Die redaktionell gut aufbereiteten Geschichten erscheinen dann noch dreimal pro Woche in der TZ und zweimal pro Woche im Anzeigenblatt. Damit können die Abo-Kosten reduziert werden und vielleicht verursacht das eine Stagnation der Abo-Anmeldung/verkauften Auflagen.

Das gesamte Interview mit Axel Ahlbrecht und weiteren Experten finden Sie in der new business REGIONALE TAGESZEITUNG November 2015.

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