Was kommt nach Corona auf die deutschen Vermarkter zu?

In welchem Maß beeinflusst die Coronakrise auch Strategien und Prozesse innerhalb der Mediabranche - und wie stellen sich Agenturen entsprechend für die Zukunft auf? Armin Schroeder, geschäftsführender Gesellschafter bei CROSSMEDIA, gibt einen Ausblick, welche Neuerungen und Trends im kommenden Jahr auf Werbungtreibende, Vermarkter und Agenturen warten können:

Wie turbulent werden die nächsten Monate für die deutschen Medienvermarkter? Drohen Preiskämpfe und ein harter Verdrängungswettbewerb, geht es in Media-Pitches noch stärker um Rabatte – und wie heftig sind die Mediaagenturen von der Krise betroffen? Sechs hochrangige Agenturmanager geben Auskunft.

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Frage 1
Drohen im Herbst heftige Preiskämpfe? Und ist es richtig, dass vor allem international aufgestellte Unternehmen gerade massiv auf günstigere Konditionen drängen? Droht den deutschen Vermarktern ein Verdrängungswettbewerb?

Armin Schroeder:
Auf Deutschland bezogen: Ein eindeutiges Ja. Die Marktbedingungen bleiben mindestens bis Jahresende höchst volatil. Die Unsicherheit ist meinen Augen deutlich stärker ausgeprägt als es bei der Finanzkrise 2008/9 der Fall war. Neben der generellen Konjunkturentwicklung gibt es sicherlich auch Mechanismen im Media-Markt, die den Wettbewerb verschärfen. Die Netzwerk-Agenturen sitzen beispielsweise voraussichtlich auf einem Berg von Commitments, die es zu erfüllen gilt. Die Folge können schiefe Mediapläne sein und eine deutliche Verschiebung in Richtung der „Preferred Partner“. Alleine dadurch kann es einen deutlichen Preiskampf geben, um einen Teil vom Kuchen abzubekommen. Ob es sich hier um einen Sturm im Wasserglas oder eine Jahrhundertwelle handelt, kann man noch nicht sagen. (Wohl dem, der trockene Füße behält.)

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Frage 2:
Es gab ja offenbar Überlegungen, während der Coronakrise eine „Pitch-Pause“ einzulegen, wozu es dann nicht gekommen ist. Stimmen Meldungen, wonach es gerade eine massive Pitchwelle gibt und aktuell eine ganze Reihe auch sehr großer Etats auf dem Markt sind? 

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Armin Schroeder:
Auch hier ein klares Ja. Das Thema hat Brisanz, da sich wegen Corona schlecht Prognosen abgeben lassen. Damit laufen einkaufsorientierte Pitches in Gefahr, dass in 2020 angegebene Garantien in 2021 schwer gehalten werden können. Erneut müssen sich Werbungstreibende die Frage stellen, inwieweit es bei den etablierten Pitchstrukturen bleiben kann oder sich eine postcorona- bzw. beratungsorientierte Herangehensweise entwickelt sollte, die mehr auf Qualität, Vernetzung, Neutralität, Agilität und zukünftige Entwicklungen ausgerichtet ist. Wahrscheinlicher ist aber, dass wir drei Dinge beobachten werden: Zum einen wurden viele Pitches verschoben, diese werden 2021 geballt auf uns zurollen. Zweitens, ein etwas höherer Anteil an erfolgreichen Verteidigungen. In unsicheren Zeiten ist eine langjährige Zusammenarbeit viel Wert – und Kosten/Aufwand durch einen Wechsel würden zusätzlich belasten. Zu guter Letzt: wenn Garantien nicht oder nur unter Schmerzen eingehalten werden können, wird sich das Agenturkarussell erneut drehen.

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Frage 3:
Alle sprechen davon, dass die Coronakrise Entwicklungen beschleunigt. Gilt das auch für die Aufstellung von Mediaagenturen? Planen Sie für Ihre Agentur neue strategische Weichenstellungen? 

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Armin Schroeder:
Die Lage verändert nichts an unseren zur Jahreswende definierten Strategiezielen. Die Zäsur hat aber unseren Blick auf die Lage geschärft. Was ist wichtig, was ist dringend. Wir hatten Zeit, uns zu sortieren, so dass wir unsere Strukturveränderungen mit frischem Bewusstsein und mehr Konsequenz angehen können. Und ganz wichtig: die Krise hat gezeigt, dass Veränderungen viel schneller erfolgreich stattfinden können. Das wird dazu führen, dass wir die geplanten Veränderungen in Zukunft noch entschlossener angehen werden. Diese Veränderungen beziehen sich dabei auf unterschiedliche Bereiche, die nicht zwangsläufig den Kern des Mediageschäfts betreffen, sondern auch Themen wie Nachhaltigkeit oder New Work Rechnung tragen.

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Frage 4
Wie massiv sind die Mediaagenturen betroffen? Werden wir in den kommenden Monaten Sparprogramme oder andere tiefgreifende Maßnahmen sehen? 

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Armin Schroeder:
Ich rechne nicht mit tiefgreifenden, öffentlich kommunizierten Maßnahmen. Die Fluktuation wird aus verschiedenen Gründen mit Sicherheit weiter zunehmen.

Frage 5:
W
elche Trends werden aus Ihrer Sicht das Mediabusiness 2021 prägen? 

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Armin Schroeder:
Für Werbungtreibende: Die Debatte um den Wert der Marke wird fortgeführt. Der Wirkungsbeitrag von Marke vs. Performance bleibt eines, wenn nicht das wichtigste Thema für die Kunden. Für Vermarkter: Bei den Vermarktern spitzt sich die Situation zu. Weiter anwachsende Marktanteile der GAFAS werden den Druck auf sie erhöhen, ihre Geschäftsmodelle anzupassen und den Wandel/Transformation voranzutreiben. Um es mit der Autobranche zu sagen: Weiter Verbrennungsmotor oder endlich Ausbau der E-Mobilität? Für Agenturen: Das Thema New Work wird als Konsequenz mit einer anderen Selbstverständlichkeit die Strukturen und die Arbeitsweise verändern. Das Thema New Work  ist in Teilen plötzlich Wirklichkeit. Das betrifft auch heute schon die Zusammenarbeit im Internationalen oder den Austausch mit Kreativ- und Spezialagenturen im Sinne bester Kundenlösungen.

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