Verlässliche Ankerpunkte im Mediendschungel

Leitmedien nehmen im immer breiter aufgestellten Medienmarkt eine Schlüsselrolle ein. Markus Biermann, Gründer und Geschäftsführer von CROSSMEDIA, diskutiert in der new business mit weiteren Expert:innen, welche Funktion starke Medienmarken einnehmen:

nb: Die Fragmentierung des Medienmarktes schreitet unvermindert voran. Nichtsdestotrotz ragen gut geführ­te Medienmarken weiterhin aus der wachsenden Masse hervor. Welche Funktionen erfüllen diese Leuchttürme heute im verschärften Kampf um die Aufmerksamkeit der Konsumenten?

Markus Biermann: Es geht bei der Frage in erster Linie nicht um die Medienmarken, denn diese sind für Medi­aagenturen erst einmal nur Transportkanäle. Ich komme gleich dazu, dass sie natürlich mehr sind. Im Auswahl­prozess sind sie reduziert auf ihre Kanalfunktion zu wichtigen Zielgruppen und für bestimmte Kontaktdo­sen. Viel relevanter für die Diskussion um die Medienmarken ist das dazugehörige Markenverständnis der Werbetreibenden. In der Fokussierung auf den Short­-Media-RoI zu Lasten der Langzeitbetrachtung liegt das fatale Missverständnis. Wer mittel- und langfristig Erfolg haben möchte, der muss seine Marke sichtbar, wahrnehmbar differenziert und konsistent führen. Von außen und von innen. Da bestehen riesige Defizite. Zur Behebung kommen dann Medien ins Spiel, die über die üblichen KPis hinaus mediale Qualität, fesselnde Inhalte und lukrative Zielgruppen zu bieten haben. Der positive Nebeneffekt kommt gratis für den Werbenden hinzu, da Werbung in Qualitätsmedien zu schalten eine demokra­tie- und meinungsaustauschfördernde Maßnahme ist.

nb: Die Mediabudgets wandern seit Jahren zunehmend in Social Media und in die Töpfe der Walled-Gardens­-Hüter. Gleichzeitig werden die Rufe nach Transparenz und Qualitätsumfeldern lauter. Welche Rolle fällt in die­sem Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit den etablierten Leitmedien zu?

Biermann: Hier stehen wir vor mannigfaltigen Aufgaben­stellungen, die ein konzertiertes und eventuell staatliches Eingreifen über verschiedene Kriterien erfordern. Eine Möglichkeit bildet die 3×3-Strategie. Von allen Umsätzen, die Google, Amazon, Meta, Apple und Konsorten erwirtschaften, gehen 9 Prozent in folgende drei Bereiche:
Ein ständiges Davos-Programm für das mittlere und hohe Führungspersonal nationaler und internationaler Konzerne, welche die Themen Diversität, Meinungsvielfalt und Wettbewerbskultur vermitteln. Das einfältige Mantra des Wachstums soll eine Entsprechung in der Post-Konsum-Ära finden. Mehr Sinn statt Wachstum. Weniger globale Dominanz, dafür mehr Kollaboration. Ziel ist hier, endlich im Sinne der erschöpften Ressourcen der Welt ein neues Bewertungsmodell für wirtschaftli­chen Erfolg zu erfinden.
Ein weltweites Schulungsprogramm für Kinder bil­det eine weitere Säule. Diese sorgt für eine ordentliche, wissensbasierte und chancengleiche Ausbildung und fördert die Medienkompetenz des Einzelnen in frühen Jahren so, dass Fake News der Vergangenheit angehören. Unabdingbar für das Konzept ist kritischer, unabhängi­ger und omnipräsenter Journalismus. Ein Teil des Geldes muss deshalb zur Förderung von ebendiesem eingesetzt werden.

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Das gesamte Interview mit Markus Biermann und weiteren Expert:innen finden Sie in der new business, Ausgabe 23/2022.

© Jan Ladwig