Gefangen im Media-Dreieck

Markus Biermann, Geschäftsführer CROSSMEDIA, im Interview zu den Themen Transparenz, Unabhängigkeit und Beratung:

Im Verhältnis zwischen Werbungstreibenden, Agenturen und Medien kriselt es schon lange. Seit der Verhaftung des Ex-Aegis-Media-Chefs Aleksander Ruzicka vor knapp anderthalb Jahren steht die Branche unter besonderer Beobachtung.

Mit Brief und Siegel: Die Düsseldorfer Agentur Crossmedia lässt sich in ihre Bücher schauen. Noch haben sich keine Nachahmer gemeldet, doch die Mediabranche hat mehr Transparenz nötiger denn je.

Auszüge Artikel

Für die deutsche Mediabranche ist der 12. September 2006 ein merkwürdiges Datum. An jenem Tag durchsuchte die Staatsanwaltschaft Wiesbaden mehrere Agenturen, TV-Sender und Wohnungen. Gut einen Monat später, am 24. Oktober 2006, wurde Aleksander Ruzicka, der langjährige Chef von Aegis Media Zentraleuropa und Südafrika, verhaftet. […]

Wandel zum Broker
[…] Die Agenturen werden immer größer, verbünden sich, die Marktkonzentration steigt. So verfügen sie über ein erhebliches Volumen, das ihnen gegenüber den Medien eine exponierte Stellung verschafft. Dadurch können sie an der Preisschraube drehen und immer höhere Rabatte durchsetzen. Nachlässe, Rückvergütungen und Naturalrabatte in Form von Gratisanzeigen und Freispots, die eigentlich den Werbungtreibenden zustehen, landen zu einem Großteil bei den Agenturen. Die sind überwiegend Teil großer Netzwerke und überweisen fette Überschüsse an die Zentrale. Das weckt weitere Begehrlichkeiten. Gewinnmaximierung dominiert über das Kundeninteresse, Kickbacks und Sharedeals diktieren die Mediapläne. „Die Mediaagenturen haben sich in aller Stille vom Treuhänder zum Broker gewandelt“, sagt Markus Biermann, Geschäftsführer der Düsseldorfer Agentur Crossmedia.

[…] Einig sind sich die Beteiligten darüber, dass sich die Regeln und die Mitspieler des maroden Media-Monopoly ändern müssen. Nur über das Wie ist man sich gründlich uneins. Der Fraktion der Bewahrer und Durchwurstler stehen die Reformer gegenüber – und dazwischen befindet sich die Schar der Wankelmütigen. „Die gegenwärtige Diskussion birgt die große Chance eines Neuanfangs im Sinne einer neutralen, nur der Strategie verpflichteten Mediaplanung“, sagt Crossmedia-Chef Biermann, ohne die Beharrungskräfte zu unterschätzen. Die Kickback-Methode ist für die Meisten nicht schmerzhaft genug, um freiwillig einer Operation zuzustimmen. […]

Kritik an Neuerungen
[…] Solange Medien und ihre Vermarkter Incentives an Agenturen zahlen, „führt das zu einem Interessenskonflikt, der mit unabhängiger Beratung unvereinbar ist“, sagt Crossmedia-Chef Biermann. Damit steht er auf der gleichen Linie wie Uwe Becker. „Die Vergütung der Agentur durch die Medien lehnen die Werbungtreibenden grundsätzlich ab“, betont der Vorsitzende der Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM). Diese Haltung fordert den Widerspruch der Organisation Media-Agenturen (OMG) heraus. Deren Sprecher Hans Kratz hat unmissverständlich erklärt, dass „Media-Agenturen eine selbstständige Wirtschaftsstufe sind“. Der Handel mit Werbeplätzen und –zeiten ist einfach zu einträglich, um sich davon kurzerhand zu verabschieden.

Der Weg zurück in die Gewaltenteilung mit werbenden Kunden (Auftraggeber), beratender Agentur (Treuhänder) und die ohne Kickbacks agierenden Medien ist steinig. Derzeit fürchten die Mitspieler das Mikado-Syndrom: Wer sich zuerst bewegt, verliert. Dabei ist schon viel gewonnen, wenn alle mit offenen Karten spielen. Crossmedia darf dabei als ermutigendes Beispiel gelten. „Wir nehmen keine Kickbacks und verhandelte Sonderkonditionen reichen wir verursachergemäß an den Kunden weiter“, versichert Biermann. […]
Max Bücker

Interview mit Markus Biermann zu den Themen Transparenz, Unabhängigkeit und Beratung:

Herr Biermann, wollen Sie mit Ihrem Transparenzmodell die gläserne Mediaagentur schaffen?
Wir selbst arbeiten schon immer transparent. Durch unseren von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer testierten Transparenzbericht wollen wir ein Zeichen setzen: Wir nehmen keine Kickbacks von Medien und geben alle generierten Vorteile an den Kunden weiter. Wir wollen aktiv daran mitwirken, das Mediabusiness zu reformieren.

Welches Selbstverständnis steht dahinter?
Wir sehen uns als verlängerte Werkbank und Treuhänder des Kunden, der beraterischen und medienspezifischen Neutralität verpflichtet. Seit mindestens sechs Jahren ist das ein Herzstück unserer Positionierung. Deshalb haben wir uns 2000 aus den Rahmenbedingungen des Havas-Networks gelöst und 2001 die Planung weitestgehend vom Einkauf getrennt.

Dem Treuhänder- steht das Broker-Modell gegenüber. Warum lehnen Sie letzteres ab?
Im Broker-Modell fungiert die Agentur als Großhändler, der Kontingente kauft und weiterverkauft und somit  eine eigene Wirtschaftsstufe darstellt. Ein gewinnorientierter Händler kann auf Kickbacks und all die anderen Vergünstigungen nicht verzichten, die Medien einer Agentur bieten, damit sie nur ja bei ihnen schaltet. Das ist für uns keine Option. Wir wollen unsere Unabhängigkeit bewahren.

Unabhängigkeit wovon – und wozu?
Unabhängigkeit von einzelnen Medien. Wenn wir als Agentur einen guten Teil unseres Umsatzes aus Kickbacks erzielten, dann würden wir von den Medien abhängig, die solche Gelder zahlen. Wenn man da als Mediaagentur erst einmal am Tropf hängt, dann kann man natürlich nicht mehr optimal beraten.

Beraten Agenturen, die Kickbacks und andere Vergünstigungen von den Medien nehmen, ihre Kunden nicht optimal?
Die Arbeit anderer Agenturen will ich nicht beurteilen. Es ist aber nachweislich so, dass strategische planungsneutrale Mediapläne einen geldwerten Vorteil von 15 bis 20 Prozent ausmachen, in manchen Fällen sogar bis zu 30 Prozent. Unterm Strich bekommt der Kunde vermeintlich weniger Rabatt, dafür aber mehr Leistung, also mehr Geld.

Umgekehrt betrachtet: Bei weniger Leistung und höherem Rabatt muss doch gar kein Schaden entstehen?
Sharedeals in der Vergangenheit waren für bestimmte Aufgabenstellungen vielleicht gar nicht nachteilig für den Kunden. Das Perfide ist, dass der Schadenfall nur im Einzelfall klar zu definieren ist.

Ihr Einkauf läuft über das Aegis Network. Verstoßen Sie damit nicht gegen das Treuhänderprinzip?
Das wird von unseren Kritikern gerne als Argument bemüht. Es wird aber durch Wiederholung nicht richtiger. Der Kunde hat bei uns die Wahl. Er kann über alles 100prozentige Transparenz und damit treuhänderisches Handeln bekommen. Er verzichtet dann aber auf monetäre Vorteile, die das Pooling mit sich bringt. Wichtig für ihn: Er ist sich sicher, dass seine ihn betreuende und beratende Mediaagentur frei von Einflüssen Dritter ist.

Also geht es doch wieder nur um bessere Konditionen?
Unser Kunde soll ja monetär nicht schlechter gestellt werden als andere Werbungtreibende. Darüber hinaus geht es um Flexibilität, zum Beispiel bei Storno- und Zubuchungsfristen. Solange der Markt von Broker-Medien geprägt wird, gibt es keine bessere Lösung als den Buying-Pool, an dem man selbst nicht beteiligt ist und den man in Funktion eines Großhändlers einsetzt.

Für welche Kunden ist Ihr Angebot besonders interessant?
Insbesondere für Kunden, die inhouse über kein ausgeprägtes Media-Knowhow verfügen. Sie tolerieren vielleicht die Kickback-Praxis, weil sie dadurch die direkte Honorierung ihrer Agentur vermindern. Sie glauben, dass die Preiserhöhungen bei den Medien und der Schaden durch fehlgeleitete Planung kleiner sind als der Wert dieser Honorareinsparung. Das stellen wir ganz massiv in Frage.

Was treibt sie dann an? Warum glauben Sie hilft der Transparenzbericht?
Die Hoffnung, dass auch die großen Kunden, Medien und Mediaagenturen einsehen, dass jetzt Zeit zu handeln ist. Jetzt gibt es die historische Chance, diesen Markt neu zu gestalten. Bislang gibt es nur für uns zu wenig Verbündete.