Europa

Auch wenn Budgets mittlerweile oft international vergeben werden, wird Werbung in Europa weiterhin oft national gedacht. Martin Albrecht, CEO CROSSMEDIA Worldwide, spricht in der W&V über eine Balance aus grenzübergreifenden und nationalen Kampagnen:

Werbung in Europa ist bislang selten europäisch. Kreiert und geplant wird meist national. Die Konsumenten in den 28 EU-Staaten ticken zu unterschiedlich. Doch die Digitalisierung führt zu mehr europäischen Mediaplänen.

Zwischen dem 23. und 26. Mai wählen Europas Bürger ein neues Parlament. Was die 751 Abgeordneten in Straßburg und Brüssel entscheiden, prägt zunehmend den Alltag zwischen Lissabon und Helsinki. Auch bei den Themen Werbung und Medien. Das hat das Ringen um Themen wie Datenschutzgrundverordnung, E-Privacy und Urheberrecht jüngst gezeigt.

Bei Marketing und Media wird indes auch 27 Jahre nach der Unterzeichnung der Maastrichter Verträge noch sehr national gedacht. Europäische Kampagnen gibt es – aber sie sind die Ausnahme. Die Regel ist: Nationale Marketingchefs planen für ihre eigenen Märkte und beauftragen einheimische Dienstleister. Budgets werden zunehmend auf internationaler Ebene vergeben. Aber um die konkrete Umsetzung kümmern sich dann DACH-Chefs und die von ihnen engagierten Agenturen.

Werbung kann nur so europäisch sein, wie die Menschen, die sie erreichen soll. Und hier liegt das Problem. „Wirtschaftlich und politisch ist Europa zusammengewachsen“, sagt Martin Albrecht, bei der Agentur Crossmedia verantwortlich fürs Internationalgeschäft. „Aber es gibt weiterhin große kulturelle Unterschiede.“

Zielgruppen in Nordfinnland und Frankreich ticken anders als ihre Pendants in Niederbayern oder Rumänien. Dies zeigt sich vor allem im Lebensmittelbereich. Discounter wie Aldi oder Lidl werben in ihren Märkten weitgehend landestypisch. Bei anderen Produkten gibt es dagegen durchaus eine grenzübergreifend gleichartige Kundschaft und damit auch entsprechende Kampagnen. „Das Online-Verhalten von Teenagern in Stockholm ist nicht viel anders als in Rom“, sagt Albrecht. Vor allem Tech- und Digitalkonzerne werben daher international paneuropäisch. Beispiele sind etwa der Ferienwohnungsvermittler Airbnb oder das Reiseportal Expedia.

Im Mediageschäft lassen große Konzerne zwar immer mehr länderübergreifend um ihre Werbe-Euros und -Dollars pitchen. Die Arbeit wird dann jedoch in den einzelnen Ländern und Regionen gemacht – und häufig mit durchaus unterschiedlichen Mediastrategien. […]

Etwas anders sieht es dagegen bei digitaler Werbung aus. […] Der automatisierte Handel mit Onlinewerbeplätzen befördert europäische Werbeideen. Dank der Datenmacht vor allem großer Plattformen wie Google und Facebook lassen sich Kampagnen so fein aussteuern, dass Zielgruppenunterschiede zwischen den Nationen gar nicht mehr groß ins Gewicht fallen. Diese „digitalen und eher performancelastigen Kampagnen“ seien „ohnehin so individualisiert und kleinteilig, dass nationale Eigenheiten zweitrangig sind“, sagt Agenturmann Albrecht. Dieser Werbeweg könnte durchaus effizient sein. Er sei aber keine Allzweckwaffe für jedes Marketingthema, so Albrecht. „Wenn es um grundlegende Fragen der Markenpositionierung geht, kommt man allein mit Performance nicht weit.“ Oft seien „die Markenherausforderungen von Land zu Land völlig anders“. Der Crossmedia-Geschäftsführer empfiehlt deshalb, „die richtige Balance zu finden“.

[…]

Zum Print-Artikel