Es fehlt der Mut, radikal zu denken

TV ist weiterhin an der Spitze des Reichweiten-Rankings, jedoch gibt es einen Rückgang der Sehdauer in allen Zielgruppen. Um gegenüber den digitalen Angeboten konkurrenzfähig zu bleiben, bedeutet das Umdenken – in Bezug auf Content und Mediatheken, aber auch auf Angebote und deren Flexibilität. Britta Brumbach, Director Audio & Video bei CROSSMEDIA, findet klare Worte im Interview mit der new business:

Vom 13. bis zum 15. Juni 2023 präsentieren die TV-Vermarkter auf dem virtuellen Branchenevent Screenforce Days den Agenturen und Werbekunden ihr Leistungsspektrum. Doch mit welchen Angeboten können Fernsehsender auf dem fragmentierten Bewegtbildmarkt noch punkten?

new business: Was müssen die traditionellen Fernsehsender dem Werbemarkt heute bieten, um als Kommunikationskanal weiter relevant zu bleiben?
Britta Brumbach: Fernsehen muss ein Massenmedium bleiben und weiterhin einen Großteil der werberelevanten Zielgruppen vor den Bildschirm locken. Dies schaffen sie vor allem durch Qualitätscontent. Besonders Live-Events locken die Zuschauer an und bilden eine Abgrenzung zum Serienmarathon auf Netflix & Co. Aufgrund der rückläufigen Sehbeteiligung und der damit verbundenen Inflation ist neben der Reichweite eine hohe Sicherheit sowie Planbarkeit für werbetreibende Kunden essenziell wichtig. TV muss zudem mit mehr Flexibilität punkten, um konkurrenzfähig gegenüber den digitalen Angeboten zu bleiben. Auch mehr Angebote zu innovativen Werbeintegrationen, um im TV-Content selbst stattzufinden, wären wünschenswert.

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nb: Die Screenforce Days stehen abermals unter dem Motto „The Magic of Total Video“. Wie gut sind die TV-Sender in dieser Hinsicht aufgestellt?
Brumbach: Die TV-Sender versuchen sich mit ihren Mediatheken in puncto „Total Video“ aufzustellen, jedoch können sie mit den zur Verfügung stehenden Reichweiten nicht die Verluste im linearen TV auffangen. Da die Sender ihr eigenes Programm „kannibalisieren“, indem sie es bereits eine Woche vor der eigentlichen TV-Ausstrahlung in ihren Mediatheken veröffentlichen, wird zu wenig exklusiver Inhalt im linearen Programm geboten – der Zugewinn an Reichweite durch Mediatheken bleibt so bislang sehr überschaubar. Dies erreicht man doch eher durch die Hinzunahme anderer Plattformen als die der großen TV-Vermarkter. Allerdings lässt sich auch erkennen, dass die Nutzung der Mediatheken bei den jüngeren Zielgruppen einen signifikanten Sprung verzeichnet. Die Bemühungen der Vermarkter, sich im Bereich „Total Video“ zu positionieren, lohnen sich also.

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nb: Der Shift von Werbeetats vom linearen Fernsehen in digitale Kanäle findet unweigerlich statt. Wie sollten Werbetreibende TV in Zukunft flankieren, um auch fernsehabstinente Zielgruppen zu erreichen?

Brumbach: Besonders die jungen Zielgruppen nutzen die linearen Fernsehprogramme nicht mehr. Und die Mediatheken der TV-Sender bieten bislang zu wenig, um die TV-abstinente Zielgruppe sinnvoll und reichweitenstark zu erreichen. Eine Erweiterung des Sets durch Youtube, Netflix, Meta etc. wäre hier notwendig. Dort ist ein starker Konsum der Jüngeren zu verzeichnen, da auf diesen Plattformen TV-Alternativen mit ähnlicher Qualität konsumiert werden können. Ein relevanter Aspekt hierbei ist mit Sicherheit auch das Thema „Social Viewing“, also die Schaffung von Zusatzcontent und Diskussionen in sozialen Kanälen.

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nb: A propos Streaming: Im Markt gibt es ja die Forderung, dass die Inhalte der Mediatheken der öffentlich-rechtlichen und der privaten Anbieter über eine gemeinsame Plattform zur Verfügung gestellt werden sollen. Für wie wahrscheinlich halten Sie ein derartiges Szenario? Und würde es den lokalen TV-Anbietern damit tatsächlich gelingen, im Werbemarkt ein echtes Gegengewicht zu den großen US-Plattformen zu schaffen?
Brumbach: Die Forderung kann ich nur unterstützen. Eine Plattform mit allen Inhalten der Mediatheken würde der starken Fragmentierung entgegenwirken und so eine Bündelung von Inhalten erreichen, die in puncto Reichweite und Verfügbarkeit einen großen Zugewinn erzielen kann.

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Das vollständige Interview mit Britta Brumbach und weiteren Expert:innen lesen Sie in der new business, Ausgabe 10/2023

 

Bild: Britta Brumbach | © Jan Ladwig