Ein Föhn für Rapunzel

Kümmerten sich früher allein Werber und Mediaberater um eine Marke, ist es inzwischen keine Seltenheit mehr, wenn zig Agenturen gemeinsam an den Marketinganliegen ihrer Kunden arbeiten. Was zählt, ist die Teamleistung. Warum Unternehmen von ihren Agenturen vermehrt Kollaboration erwarten und warum in diesem Ansatz so viel Potenzial steckt, erläutert Georg Tiemann, Geschäftsführer bei CROSSMEDIA:

Im vernetzten Heute ist Teamwork gefragt. Auch über Agenturgrenzen hinweg.

Rapunzel ist getürmt. Nur das Notebook auf ihrem Bett liefert eine Spur, wohin sie ausgebüxt ist. Auf dem Bildschirm leuchtet rot das Media-Markt-Logo. „Hin & Web“, liest man. „Feierpreise im Markt und im Onlineshop!“ Wer will, bestellt im Netz und holt die Ware in der nächsten Filiale ab. So wie Rapunzel. Mitarbeiter des Elektronikhändlers tragen ihr wie eine Entourage Fernseher, Toaster und was nicht-alles zur Kasse. Im Vorbeigehen schnappt sie sich noch rasch einen Föhn.

Der TV-Spot, im Mai auf Sendung, feierte den 5. Geburtstag des Onlineshops, umrahmt von einem munteren Werbereigen: Radiospots und Anzeigen, Aktionsprospekt, Onlinewerbung, dazu Partylaune auf Facebook und ein Schildermeer in den Filialen. Mehr als ein halbes Dutzend Agenturen richtete die Fete quer durch die Genres aus, allen voran die Kreativschmiede Zum roten Hirschen. Im Frühjahr 2015 hob die Hirschen-Gruppe den Ableger für den Neukunden Media-Markt aus der Taufe. Mit Denkwerk (zuständig für Social Media) und Universal McCann (zuständig für klassische Mediaplanung) bezog das Startup in München Quartier. Gut 30 Werber, Planer und Digitale aus drei verschiedenen Agenturen, die gemeinsam an Kampagnen tüfteln. „Hier kocht keiner sein eigenes Süppchen“, betont Jens Kurznack, Chef des roten Hirschen. Statt nach einem möglichst großen Happen des Etats zu schielen, sucht man die beste Lösung für Anliegen des Kunden. Agiles Miteinander über Agenturgrenzen hinweg.

Der Ansatz gewinnt an Bedeutung. Selten zwar in so ausgeprägter Manier wie unter dem Dach des roten Hirschen. Aber doch mit zunehmender Selbstverständlichkeit, wenn es um Austausch und Abstimmung unter den Dienstleistern geht.

„Kunden fordern und fördern Kollaboration“, beobachtet Georg Tiemann, Geschäftsführer bei Crossmedia, Düsseldorf. Das ist nicht zuletzt der wachsenden Zahl an Agenturen geschuldet, die sich um Marken kümmern. Früher teilten sich Werber und Mediaplaner die Aufgabe. PR-Leute sahen aus der Ferne zu. Seit dem Siegeszug des Contentmarketings sitzen sie mit am Tisch – und mit ihnen jene, die in digitalen Sphären unterwegs sind: Social-Media-Experten, Onlinewerber, Suchmaschinenoptimierer. „Auftraggeber mit nennenswertem Budget gehen vermehrt dazu über, ihre Agenturen in großer Runde auf Marketingziele einzuschwören“, so Tiemann. Das spart Zeit. Und führt vor Augen: Gefragt ist das Hand-in-Hand der Disziplinen.

KOLLABORATION, BITTE
Denn im vernetzten Heute ist aufeinander abgestimmtes Handeln unumgänglich. Online gewonnene Daten ermöglichen genaues Targeting: mit der passenden Werbebotschaft über den geeigneten Kanal exakt jene Teile der Zielgruppe anzusprechen, die just in diesem Moment offen dafür sind. „Man braucht viel mehr Austausch als früher, eine feinteilige Abstimmung, um Kampagnen auf den Punkt auszuliefern“, sagt Mediaplaner Tiemann.

Oft sind Dienstleister übers Bundesgebiet verstreut, manchmal im internationalen Raum. Agile Zusammenarbeit findet dann in virtuellen Treffen statt, über Dienste wie Slack zum Beispiel, die sämtliche Chats und Hintergründe rund um ein Projekt in einem Logbuch vereinen. Crossmedia nutzt das bei Bedarf ebenso wie das ähnlich angelegte Google Drive. Beide Anwendungen geben räumlich getrennten Teams Gelegenheit, gemeinsam an Dokumenten zu arbeiten. „Das klappt ganz gut“, so Tiemann. „Vorausgesetzt, alle Beteiligten nehmen Kollaboration ernst.“ Das ist leichter gesagt als getan. Sobald nur einer eigene Wege geht, verlieren Plattformen wie Slack und Google Drive ihren Sinn. Dann ist der Rest des Teams außen vor, und ehe man sich versieht, ist das agile Miteinander Geschichte.

Jens Kurznack vom roten Hirschen stand vor der Aufgabe, agenturtypische Egoismen zu verhindern – den Reflex, mehr Aufträge zu ergattern als die anderen, sich noch ein Stück vom Kuchen zu sichern. Denn der bewirkt bloß, dass Akteure in einem agilen Konsortium die vielversprechendste Lösung für sich selbst, nicht für die gemeinsame Sache suchen. „Ich hatte intensive Gespräche mit den Geschäftsführern der beteiligten Agenturen“, berichtet Kurznack. Eine finanzielle Grundversorgung nimmt den Mitspielern die Sorge, zu kurz zu kommen. „Im Gegenzug verzichtet jeder auf Vertriebsaktivitäten.“

Die Agenturen, das gewährleistet die Vereinbarung, ziehen an einem Strang. Denkwerk-Digitale und McCanns Mediaplaner sitzen bunt gemischt mit den Kollegen des roten Hirschen an den Schreibtischen. Wer zu welcher Agentur gehört, verschwimmt. Und ist auch unerheblich. „Wir sind das Team Media-Markt“, unterstreicht Kurznack. Zugute kommt dem Konstrukt, dass nahezu die komplette Belegschaft aus Neuzugängen besteht. Die Mitarbeiter schleppen keine Agenturkulturen mit sich herum, die unter dem Dach des roten Hirschen aufeinanderprallen. Sie leben ihre eigene Kultur, ein flexibles Zusammenspiel der Kräfte. Klassische und digitale Kreation arbeiten miteinander, nicht nebeneinander. Ähnlich die Aufstellung in Beratung und Planning. „Wer die zündende Idee hat, ob sie aus der Klassik kommt, aus Reihen der Digitalen oder von einem Mediaplaner: Das spielt keine Rolle“, so Kurznack. „Entscheidend ist, dass wir die zündende Idee haben.“

KURZE WEGE
Rapunzel ist Vergangenheit. Die anstehende Weihnachtskampagne hat Media-Markt bereits abgesegnet. Der Marketingplan für 2018 steht. Die Wege sind kurz in Schwabing-West. Im selben Gebäude wie der rote Hirsch mit seinen Partnern Denkwerk und Universal McCann hat auch jener Part ein Büro, den Fibeln des Agilen Product-Owner nennen – der Auftraggeber: eine Abordnung der Media-Markt Marketing GmbH.

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