Print Power: Seit digitale Medien ganz natürlich zum Inventar gehören, das Media-Agenturen nutzen, hat sich ja eines ganz massiv geändert: alle blicken gebannt auf kurzfristige KPIs. Weil es sie gibt. Sie sprechen sich dagegen recht fordernd dafür aus, dass die Media-Branche auch langfristige KPIs wahrnimmt, die Digital wie auch Print oder TV liefern können. Fällt das immer so leicht? Sie werden ja auch nicht jeden Ihrer Kunden fünf Jahre lang halten können, um ihm langfristig Ergebnisse versprechen zu können.

Martin Albrecht: Das ist eine faszinierende Frage, die sich darauf zuspitzt, ob die Media-Agentur nun ein strategischer Partner oder bloß ein taktischer Dienstleister ist. Wir jedenfalls sind überzeugt davon, mit Media Kommunikation gestalten zu können. Wenn man unseren Job richtig versteht, dann versteht man auch, dass wir enorme strategische Funktionen erfüllen können. Sehen Sie sich zum Beispiel unseren Kunden Tamaris an. Den betreuen wir seit 16 Jahren. Und nun sind sie der größte Schuhhersteller Europas. Freilich sind nicht mit alle Kunden so langfristig orientiert, aber ich fürchte, dass Teile unserer Branche viel zu sehr von kurzfristigen Triggern geleitet sind.

Welche Folgen hat dieser kurzfristige KPI-Autismus?

Dass man Gefahr läuft, mit diesen KPIs, die man ja im digitalen Bereich ganz besonders leicht auslesen kann, das Ziel aus den Augen zu verlieren. Da hat man ein Zahlentableau zur Verfügung, das beeindruckend ist und übersieht dabei, dass diese Zahlensilos oft nicht die Quelle für Werbewirkung sind. Und dieses Wirkungsziel stets im Sucher zu behalten, das ist unsere Aufgabe. Und diese Substanz lässt sich, das wissen wir alle seit Jahren, aus der Kombination von Kanälen, etwa aus Print und Digital erzeugen. Allerdings ist man dann auch mal damit konfrontiert ist, dass Kunden es gar nicht so genau wissen wollen, denn dann müssten sie sich ja rechtfertigen, warum sie in all den Jahren das Falsche getan haben.

Wann funktioniert es, das strategische Fundament aufzubauen und wann nicht, was muss da beim Kunden passieren?

Das ist wie ein Gesamtkunstwerk. Man muss den Kunden dazu kriegen, sich verändern zu wollen. Aber dazu muss man wissen, welchen Kunden man vor sich hat: ist das einer, der noch jahrelang in dem Unternehmen sein und nachhaltiges Wachstum aufbauen will oder ist das einer, dessen Bonus sich danach bemisst, wie rasch er die Media-Kosten runterkürzt? Unsere Erfahrung ist, dass es mit eigentümergeführten Unternehmen leichter geht, Nachhaltigkeit und Langfristigkeit als Qualitätsfaktor zu etablieren.

Kurzfristige gegen langfristige KPIs, darüber wird in der Branche immer wieder heftig diskutiert. Haben wir überhaupt die richtigen Metriken, um die Effektivität von Print zu messen – und wie geht Crossmedia mit diesen Metriken um?

Kampagnen haben ja unterschiedliche Ziele, also liegen ihnen auch unterschiedliche Metriken zugrunde. Die meisten unserer Klienten streben nach so etwas wie einer „single source of truth“, in die alle Daten zusammenfließen, um dann die Effektivität der einzelnen Investments zuzuordnen. Natürlich sind die einzelnen Branchen, Kunden – und auch Medienkanäle – in unterschiedlichem Ausmaß bereit für solche Metriken und Bewertungen. Aber eines ist sicher: es gibt keinen Chief Marketing Officer, der nicht danach verlangt.

Gerade die Manager von Printmedien beklagen sich zuweilen, dass sie mit Print immer neue Werbeformate entwickeln, mit Material oder Farben experimentieren und die Media-Einkäufer kaum empfänglich für diese Ideen sind. Hören Sie das Klagelied?

Das ist schwierig zu beantworten. Der ideale Entscheidungsprozess verläuft ja eher in die umgekehrte Richtung. Kunden setzen sich ein strategisches Ziel und wählen dann aus, was sie zum Ziel führt. Sie wollen den Pfad nicht für eine Sonderwerbeform oder für ein bestimmtes Medium verlassen. Wir arbeiten zwar kanalneutral, wir beginnen also unsere Überlegungen nie damit, ob eine Kampagne eher in Print oder eher im Digitalen besser aufgehoben wäre.

Wir wollen ein Kundenproblem lösen und da ist es eher selten, dass tolle Umsetzungs-Ideen auch Budgets freisetzen. Gleichzeitig aber haben wir durchaus jene Medien auf dem Radar, die durch Innovation auffallen. Wundern Sie sich also nicht, wenn jede gute Innovation nicht sofort Ihr Telefon aus der Gabel springen lässt.

Wissen Media-Agenturen überhaupt genug über die kreativen Möglichkeiten von Print – und was kann Print Power tun, um dieses Bewusstsein zu heben?

Ich verstehe, dass die Print-Industrie dafür sorgen will, dass sich Agenturen und Marketers ganz besonders um deren Angebote kümmern. Die Wahrheit ist, dass diese Zielgruppe über den gesamten Mix mehr nachdenkt als über den einen oder anderen Kanal – ganz wie ein Personal Trainer, der sich nicht ausschließlich um das Six Pack kümmert, sondern idealerweise bestrebt ist, auch Faktoren wie die persönliche Mobilität oder die Rückenmuskulatur ebenso zu stärken. Also würde ich mal sagen: ja, es ist gut, für Innovation zu trommeln, für faire Metriken, für die Qualität von Kontakten – jedenfalls viel besser, als den Niedergang eines Kanals im Angesicht der bösen Googles dieser Welt zu beklagen.

Gerade Printmedien nehmen für sich in Anspruch, ein Bollwerk der Glaubwürdigkeit zu sein im Gegensatz zu den Klickmastanstalten im Web. Ist diese vermutete Glaubwürdigkeit, die redaktionelle Stärke von Printmedien für Mediaplaner ein relevanter Faktor bei der Entscheidung?

Natürlich. Das ist für uns ganz entscheidend. Ich bin auch überzeugt davon, dass sich Qualität mittelfristig auf die Zahlen auswirkt. Schauen Sie sich doch mal den Niedergang von einigen internationalen Nachrichtenmagazinen an. Wenn so ein Wochenmagazin mit drei Redakteuren bespielt wird, merken das die Leser. Und damit auch wir. Wenn Menschen bereit sind, für Medien zu bezahlen, dann ist das Ausdruck einer immensen Markenbindung. Wir als Mediaagentur haben uns da auch schon seit Jahren einiges einfallen zu lassen, um die Qualität von Printmedien messen zu können. Wir haben Koeeffizienten für die Leser-Blatt-Bindung entwickelt, wir haben uns das Verhältnis von Redaktion und Werbung systematisch angesehen und wir haben neue Qualitätsparameter entwickelt, auf deren Basis wir mit den Medien Preise verhandeln. Ich bin überzeugt davon, dass gerade in Print Qualität und Erfolg miteinander korrespondieren. Die Verlage müssen sich nur richtig anstrengen, die Wirkung von Qualität für uns Mediaplaner auch zu dokumentieren. Und da reichen eben nicht drei begeisterte Leserbriefe.

Man liest fast täglich in diversen Branchenmagazinen, dass die Reichweite von Printtiteln wieder mal gesunken ist. Führt das bei Mediaplanern wie Ihnen zu einem Vertrauensverlust in die Gattung Print?

Nein, das ist mir doch egal. Wenn die Reichweite sinkt, werden auch die Preise sinken müssen. Ich buche ja nicht Reichweite, sondern Wirkung. Wofür ich dagegen leidenschaftlich kämpfe, ist, die richtigen KPIs einzusetzen und ich sage: Qualitätsmedien sind insgesamt viel zu günstig im Vergleich zu dem Schrott, den ich auf Google oder Facebook bekomme.

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