Optimierungsbedarf im Werbegeschäft

Ein Interview mit Marius Schäfer über den Nachholbedarf in der Vermarktung von B2B-Fachmedien:

Fachmedien haben aufgrund ihrer inhaltlichen Kompetenz und klaren Positionierung gute Chancen in der Medienwelt der Zukunft. Die Verlage müssen aber Schwachstellen in der Vermarktung beheben, um den Wünschen der Werbungtreibenden noch besser zu entsprechen.

Wir sprachen mit Marius Schäfer über die Perspektiven der Fachmedien in Deutschland. Er verantwortet den Bereich B2B bei der Mediaagentur Crossmedia, Düsseldorf.

nb: Herr Schäfer, wie entwickelt sich hierzulande der Markt der Fachmedien? Welche wichtigen Tendenzen erkennen Sie?

Marius Schäfer: Die Auflagen der nationalen Fachpublikationen sind branchenübergreifend stabil. Vereinzelte Rückläufe sind durch den fortschreitenden, generellen Wandel hin zu digitalen Medien zu erklären, der Fach- und Publikumszeitschriften sowie Tageszeitungen gleichermaßen trifft. Innerhalb des B2B-Segments sind Fachzeitschriften dennoch das Informationsmedium Nummer 1. Der Druck des digitalen Wandels wirkt sich hier (noch) nicht auf die Innovationsgetriebenheit der Verlage aus – solange dieser Status Quo sich nicht bedeutend ändert, kann man es sich leisten, auf mediale Trends zu reagieren anstatt agieren zu müssen.

nb: Wo liegen die Stärken der B2B-Medien im Vergleich zu anderen Gattungen?

Schäfer: In der Möglichkeit aus ihren Nachteilen Vorteile schöpfen zu können. Vermeintlich kranken B2B-Medien im Vergleich vor allem an fehlender Auflagenstärke, welche fälschlicherweise oft mit Werbeattraktivität gleich gesetzt wird. Ein entscheidender Punkt wird dabei aber oft vergessen: Im Gegensatz zu Tageszeitungen haben B2B-Fachmedien einen inhaltlichen USP, unabhängig von der Größe ihrer Leserschaft. Gibt es im B2C-Bereich einen hohen Wettbewerbsdruck, Informationen als Erster auf den Markt werfen zu müssen, um nicht im Angesicht von Twitter und Co. schon bei Veröffentlichung ‚kalten Kaffee‘ zu servieren, haben Fachmedien ihren Content exklusiv.

nb: Was bedeutet das konkret?

Schäfer: Jeden Morgen haben Leser die Wahl zwischen zehn nationalen Tageszeitungen, die ähnliche Inhalte abdrucken. Möchten die Leser sich aber über ihren Beruf informieren, gibt es oft nur ein Medium der Wahl. Dies ist somit automatisch Informationsquelle, Meinungsführer und damit auch attraktiver Werbeträger innerhalb der jeweiligen Zielgruppe. Erweitert man dieses Bild auf den Bereich ‚Paid Content‘, welches zugleich Reizthema und Hoffnungsträger der Printmedienlandschaft ist, können B2B-Medien dem gelassen entgegen sehen. Ihr Content ist so exklusiv, dass die Zielgruppen automatisch zahlungswilliger sind, da eine ‚for free‘-Lösung nicht nur einen Google-Klick entfernt ist.

nb: Wo hat die Fachmedienbranche weiterhin Nachholbedarf?

Schäfer: Im Bereich werblicher Standards gibt es weiterhin großen Optimierungsbedarf. Die komfortable Situation des Content USPs und der Luxus, aufgrund von Marktrelevanz reagieren zu können, anstatt agieren zu müssen, scheinen zu einer gewissen Lethargie zu führen.

nb: An welchen Stellen muss nachgebessert werden?

Schäfer: Leistungsbasierte Abrechnungsmodelle – zum Beispiel CLP – sind noch nicht auf die vertriebsunterstützenden Wünsche und Ziele der Werbetreibenden abgestimmt, crossmediale Konzepte – zum Beispiel Mobile, Bewegtbild – sind oftmals technisch unflexibel, Kampagnen-Reportings und Trackingsysteme liegen noch hinter denen der ‚B2C-Kollegen‘. In Punkto Umfeld-unabhängiger Werbung (RTA etc.) gibt es bei dem Thema Werberelevanz und Akzeptanz eine besondere Herausforderung. Entscheidend ist die Ansprache des Lesers / Users im richtigen ‚Modus‘. Aus dem B2B-Entscheider wird privat der B2C-Konsument, der sich Online über Nachrichten und Fußballergebnisse informiert, anstatt über Trends und Themen seiner Branche.

nb: Wie sind die Verlage im Bereich Social Media aufgestellt?

Schäfer: Auch im Bereich B2B-Social Media wird Reichweite oft fälschlicherweise mit Relevanz gleichgesetzt. Die Frage, ob zum Beispiel Facebook als werblich starker privat- und endkundenorientierter Kanal für ein B2B-Unternehmen Sinn macht, stellt sich nicht allein durch die Zielgruppengröße. Vor allem für Unternehmen mit einem sehr spitzen Angebot kann auch eine geringe Anzahl an Followern oder Fans bereits 80 Prozent ihrer Zielgruppenausschöpfung bedeuten. Die Möglichkeit, mit diesen potenziellen Kunden über Foren, Communities oder Social Networks in den Dialog treten zu können, kann sich so auch in einer kleinen Gruppe als gewinnbringend herausstellen.

nb: Wie sieht der Mobile-Bereich aus ?

Schäfer: In Punkto Mobile lässt sich feststellen, dass das Angebot an Apps an vielen Stellen noch Nachholbedarf hat. Wie im B2C verlagert sich auch die Nutzung von B2B-Entscheidern vermehrt hin zu mobilen Endgeräten. Dem wird, auch was die Optimierung von Websiten angeht, selbst bei größeren Verlagen noch nicht immer Rechnung getragen. Aus werblicher Sicht wäre es wünschenswert, das Angebot hier der Nachfrage anzupassen bzw. die Werbemöglichkeiten entsprechend über eine 1:1-Verlängerung der Display-Inhalte zu erweitern, um crossmediale Mehrwerte zu schaffen.

Diesen Artikel finden Sie in der new business – Ausgabe 19, Mai 2016.

Zum Print-Artikel