„Kein Zusammenschluss der Stärke“: Welche Hürden Score Media-CEO Genzlinger noch nehmen muss

Die neue Vermarktungsallianz Score Media hat ihren offiziellen Marktstart verkündet. Jens Schnückel äußert sich über die Zukunftsaussichten des nationalen Zeitungsvermarkters:

Es hat fünf Jahre gedauert, bis sich der neue nationale Zeitungsvermarkter Score Media formiert hat. Jetzt ist er am Markt. Doch der Score Media-CEO Heiko Genzlinger muss noch diverse Probleme meistern, wenn die neue Allianz zum drittgrößten Vermarkter nach SevenOne Media und der Ad Alliance mit IP Deutschland und G+J EMS aufsteigen soll. Denn das Online-Inventar liegt bei Ströer, die Verlage haben ihre nationalen Mandate noch nicht herausgerückt, und es gibt außer Karstadt kaum Kunden.

Heiko Genzlinger hat keinen leichten Stand. Als ehemaliger Yahoo-Deutschlandchef muss er sich seit Monaten Vorwürfe anhören, er sei als Branchenfremder für die heikle Aufgabe des CEO beim Megavermarkter Score Media nicht geeignet. Ihm fehle die nötige Erfahrung, um ein so heterogenes Konstrukt mit 23 Gesellschaftern zu führen, lautet die Kritik. […]
Die Mediaagenturen sind in Wartestellung. Öffentlich halten sie sich zur neuen Allianz aus Düsseldorf noch bedeckt. Lediglich Jens Schnückel, Geschäftsführer der zu Crossmedia gehörenden Agentur Brandlocal und Vermarktungsspezialist für Tageszeitungen, wagt sich hervor. Für ihn sei Score Media „kein Zusammenschluss der Stärke“. Es sei vielmehr eine Allianz, die in einem kontinuierlich schwächer werdenden Marktsegment zwingend notwendig war. So zeige die zähe Anlaufphase von fünf Jahren, wie schwierig es ist, die einzelnen Verlagsinteressen unter einen Hut zu bringen. Er wertet die Allianz dennoch als einen „längst überfälligen Schritt in die richtige Richtung, der auf Agentur- und Werbekundenseite viele Vorteile“ bringe.

Dafür müsse Genzlinger aber noch Einiges tun: Er dürfe nicht nur „Standard-Bündelungseffekte“ schaffen, sondern müsse mit neuen Ansätzen im Markt angreifen. Schnückel: „Honorierungsmodelle, die auf die Leistung in spezifischen Zielgruppensegmenten abgestimmt sind, gehören dazu ebenso wie überzeugende Content Marketing-Lösungen“, fordert der Geschäftsführer. Problematisch sieht der Brandlocal-Manager, dass der Kölner Außenwerber Ströer bei der Vermarktung des Online-Inventars den Erstzugriff habe. Schnückel: „Dass die Vermarktung der Online-Produkte bei Ströer liegt, macht das Leben für Score Media nicht leichter“. Damit ist es für die Düsseldorfer derzeit schwierig, sich als Crossmedia-Vermarkter im Markt zu positionieren. Branchenexperten meinen, dass Ströer-Chef Udo Müller dies Pfund nicht einfach kampflos Genzlinger übergibt. Zähe Verhandlungen sind zu erwarten.

Insgesamt wertet der Brandlocal-Geschäftsführer die neue Allianz als eine „überzeugende Marktkraft“, da viele Zeitungs-Flaggschiffe im deutschen Markt fester Bestandteil des neuen Mega-Vermarkters sind. Sie gehörten quasi von Anfang an zur DNA der Firma. Es sei bereits jetzt feststellbar, dass sich der Markt hin zu Score Media bewege. Schnückel: „Es ist eine Entwicklung zur Dachlösung, der sich perspektivisch weitere Verlage und Mediengruppierungen anschließen werden. Der Markt verlangt nach Einfachheit und Größe. Sofern es Score Media hinbekommt, zügig mit kundenorientierten Produkten und Angeboten zu punkten, wird das Magnetwirkung haben.“

Unklar scheint überdies, ob sich Score Media gegen den Preisdruck des Marktes stemmen kann. Schnückel beschreibt die preisliche Situation auf dem Tageszeitungsmarkt als „sehr angespannt“. Bislang haben sich die bisherigen Anzeigen-Allianzen der Verlage – die Nielsen Ballungsraum Zeitungen (NBRZ) und das Medienhaus Deutschland (MD) – einen harten Rabattwettbewerb geliefert. Der falle jetzt zwar durch den Zusammenschluss weg. Doch: „Ob es Score Media gelingt, wie angekündigt mit Serviceleistung und tailor made-Lösungen primär die Qualitätskarte zu spielen und sich auf diesem Wege der sich nach unten drehenden Preisspirale zu entziehen, ist eher fraglich“, meint der Geschäftsführer. Da die Skonti- und Boni-Regelungen über alle Verlage hinweg vereinfacht werden, könnten sich jetzt aber Vorteile bei den Konditionen ergeben. „Die größenbedingte Skalierung wird darüber hinaus zu Preisvorteilen führen. Diese werden sich vermutlich aber primär in kundenindividuellen Lösungen wiederfinden“, so der Brandlocal-Manager.

Dennoch: Besonders für Kunden, die regional verflochten sind, birgt der neue Vermarkter Vorteile. Dies gelte vor allem für den Handel, für den auch mittelfristig Print als zentraler, absatzorientierter Kommunikationshebel gilt. Hier böte Score Media den Unternehmen laut Schnückel sehr kleinteilige Belegungsoptionen. Sie kämen den Anforderungen des Handels sehr entgegen. Damit setzte sich Score Media deutlich von den bisherigen Vermarktern ab, die nur „große Belebungseinheiten“ möglich machten. Positiv wertet der Experte das neue Beratungskonzept von Genzlinger. Es könnte nationale Kunden veranlassen, den neuen Vermarkter zu testen. Schnückel: „Ob Automobil-, Finanz- oder Food-Sektor, mit kreativen und wirklich individuellen Lösungen, könnte es Score Media schaffen, Print wieder eine neue Relevanz zu geben.“

Dafür muss Genzlinger aber bei den Marktteilnehmern genügend Überzeugungskraft und das nötige Fingerspitzengefühl mitbringen – als Branchenfremder keine leichte Aufgabe.