Immer noch cool nach all den Jahren?

Aber so was von – auch wenn Coolness für die meisten Kunden kein ausschlaggebendes Kriterium ist: Als Herausforderer der Branche und echte Alternative im Markt muss die CROSSMEDIA nicht auf jeden Trend reagieren, sondern war, ist und bleibt die beste Antwort auf die Rasanz der Marktveränderungen:

Wie cool ist Crossmedia (noch)? Wie smart, wie beweglich, wie strategisch vital ist die Düsseldorfer Mediaagentur, die mit 200 Mitarbeitern und einem Billingvolumen von 317 Millionen Euro zu den eher Kleinen im Mediabusiness zählt? Haben Chef Markus Biermann und Martin Albrecht, einer seiner Mitgesellschafter, etwas Substanzielles zu den laufenden Mediadebatten beizutragen? Oder wird Crossmedia, 1997 als Herausforderer der großen Networks gestartet, langsam langweilig?

Die negative Version geht ungefähr so: Crossmedia war mal so etwas wie der Stachel im Fleisch des Media-Establishments. Das große Versprechen lautete, die einzige wirklich medienneutrale Agentur zu sein, die mit Kickbacks und vertrackten Deals mit Vermarktern nichts am Hut hat. Immer dann, wenn in der Branche mal wieder eine Debatte über die intransparenten Geschäftsmodelle der Media-Networks tobte, erschien Crossmedia als löbliche Ausnahme am Horizont. Während Group M, Omnicom, Aegis und Vivaki die Kundengelder nutzen, um ein extrem profitables Business hochzuziehen, schwören Biermann und seine Mannen, sich voll und ganz ihrem Beratungsauftrag zu verschreiben. Dafür gibt es immer mal wieder anerkennende Worte, aber die Verhältnisse sind eben so, wie die Verhältnisse sind, und das heißt in diesem Fall: Die immer wieder heraufbeschworene Zeitenwende im Mediabusiness fällt regelmäßig ins Wasser. Merke: Die Werbungtreibenden und ihr Verband OWM lieben es, das Hohelied der Transparenz zu singen, und sie hassen es, irgendwelche Konsequenzen aus ihren Fensterreden zu ziehen.

Für Crossmedia ist das bedauerlich, gleichzeitig gedeihen die Geschäfte dennoch. Für 2015 vermeldet Biermann beim Income ein Plus von 6 Prozent auf 14,5 Millionen Euro und spricht vom „wirtschaftlich erfolgreichsten Jahr in der Geschichte von Crossmedia“. Das Unternehmen erzielt bei weitem nicht solche Traumrenditen wie die großen Networks, schreibt aber wohl verlässlich schwarze Zahlen und steht grundsolide im Markt.

Die Mutmacher-Geschichte über „Crossmedia, neuester Stand“ lautet: Die Agentur ist perfekt aufgestellt für die digitale Transformation, weil sie im Kern immer schon auf Veränderungsbereitschaft sowie Beratung gesetzt hat und eben nicht auf Einkaufsmacht und den Aufbau komplexer IT-Infrastrukturen. Crossmedia – und das ist ein Satz, den man schon lange, lange nicht mehr in einem Artikel schreiben konnte – muss sich NICHT neu erfinden, sondern darf sich treu bleiben. Albrecht beschreibt das so: „Wir müssen jetzt eben nicht ‚disruptive‘ werden, weil wir uns seit Anbeginn so verstehen. Wir sind nicht jetzt plötzlich eine Antwort auf die Marktveränderungen (was die Lauten jetzt alle sein wollen), sondern wir waren, sind und bleiben die Antwort auf die Rasanz der Marktveränderungen. Die nämlich ist eine Konstante in unserer Branche seit der Einführung des Privatfernsehens.“

Das ist schön gesagt, aber ganz so einfach ist es natürlich auch wieder nicht. Denn „immer schon disruptiv“ bedeutet schließlich auch, den Anspruch zu haben, an der Spitze des Fortschritts zu stehen. Und das ist schwierig in einer Zeit, in der sich gerade alle vor lauter Veränderungswille kaum noch einkriegen. Der neue OMG-Chef Florian Adamski spricht vom „radikalsten Umbau in der Agenturgeschichte“, Zoja Paskaljevic, Vormann von Dentsu Aegis, gibt sich alle erdenkliche Mühe, sich als disruptivster Manager weit und breit zu positionieren, und von der großen, den Markt dominierenden Einkaufsmaschine Group M wird wohl bald zu hören sein, wie man sich als Lieblingsberater der Werbungtreibenden etablieren will.

Auch Crossmedia baut um und nennt das Großprojekt schmissig „Surf and Turf“. Surf ist das klassische Kerngeschäft, in dem man unter dem Titel „Redbox“ gerade einen neuen Beratungsansatz formuliert. Das Ganze ist vor allem deswegen interessant, weil sich ja alle Agenturen vor die Aufgabe gestellt sehen, mit der Big-Data-Explosion irgendwie zurande zu kommen. Wenn in der Zukunft der das Geschäft dominiert, der am meisten Geld in Technik und IT investieren kann, ist das ein Alptraum für kleinere Player wie Crossmedia. Oder im Gegenteil. Biermann: „Der Wert von IT-Innovationen sinkt doch schon am Tag ihrer Publikation. Alle technischen Lösungen sind heute frei am Markt verfügbar. Das ist eine Entwicklung, die Crossmedia absolut in die Hände spielt.“ Oder etwas ausführlicher Albrecht: „Ich bin fest überzeugt: Agenturen, die massiv in eigene Systeme investieren, begehen einen schweren strategischen Fehler. Neue IT-Unternehmen oder große Player wie IBM, Accenture oder SAP haben bessere Software-Entwicklung, als die Media-Networks jemals haben werden. Wir sind froh, nicht in irgendwelche Systeme investiert zu sein, die wir aus wirtschaftlichen Gründen einsetzen müssen, auch wenn der Markt schon längst überlegene Lösungen bietet.

Das ist natürlich interessant: Crossmedia will Kunden nicht nur beraten, wo sie ihre Mediabudgets am effizientesten investieren – sondern auch dahingehend, welche technischen Lösungen die besten sind. Der Konkurrent Mediaplus (Serviceplan) geht gerade in eine ähnliche Richtung und investiert massiv in den Aufbau einer Business-Intelligence-Unit. Da entsteht gerade ein neues Betätigungsfeld für Mediaagenturen, in dem womöglich unabhängige Agenturen wie Mediaplus und Crossmedia punkten können.

Ein anderes großes Thema, das alle Agenturen gerade umtreibt, ist die Versöhnung von Media und Kreation. Vor allem im Digitalen, so inzwischen die herrschende Lehrmeinung, steht das allseits praktizierte „Silo-Denken“ effizienten Kampagnen zunehmend im Wege. Vor ein paar Wochen holte Paskaljevic die beiden Leo-Burnett-Leute Alexander Wipf und Christoph Riebling zur Dentsu-Aegis-Tochter Isobar und reklamierte eine Vorreiterrolle für sich: Dentsu Aegis sei das erste Network, das mit der Integration von Media und Kreation wirklich Ernst mache.

Das sieht Biermann natürlich ganz anders, und tatsächlich ist Crossmedia seit vielen Jahren  die Mediaagentur, die besonders eng mit Werbeagenturen zusammenarbeitet. Die Frage ist, ob das reicht, oder ob man nicht ein bisschen Gas geben muss, um bei dem Modethema „Media meets creation“ nicht plötzlich nur noch eine Nebenrolle zu spielen. Im Gespräch mit Horizont sagt Biermann: „Eine der Fragen, die wir uns gerade sehr intensiv stellen, lautet: Wie können wir die Zusammenarbeit mit Kreativagenturen weiter intensivieren?“ Die Frage ist gut, die Antwort steht noch aus. Überlegungen, wie neue Formen der Zusammenarbeit aussehen, gebe es, spruchreif sei freilich noch nichts.

Während es bei „Surf“ vor allem darum geht, im klassischen Kerngeschäft auf der Höhe der Zeit zu sein, hat „Turf“ auch Konsequenzen für die gesellschaftsrechtliche Aufstellung von Crossmedia. Neben dem Mutterschiff soll es eigenständige GmbHs für Spezialthemen geben, die einerseits eng integriert mit Crossmedia zusammenarbeiten, gleichzeitig aber auch eigenständig am Markt agieren – und offen für Beteiligungen Dritter sind. „Es gibt zwei Gründe, warum wir eigene GmbHs für ehemalige Units gründen“, sagt Biermann. „Der eine ist ganz pragmatisch: Wir möchten uns primär um unser Kerngeschäft Beratung (Surf) kümmern. Der andere, noch wichtigere Punkt ist: Ehemalige Units entfalten als GmbH eine viel größere Dynamik, wenn sie eine eigene Positionierung haben.

Konkret geht es um Social Media und Geomarketing, zwei Bereiche, in denen Biermann großes Wachstumspotenzial sieht. Im ersten Fall ist schon einiges vorzuweisen. Earnesto ist seit 2015 eigenständig, hat in dieser Zeit dem Umsatz von 700000 auf 1,3 Millionen Euro gesteigert und schreibt inzwischen schwarze Zahlen. Der nächste Satellit ist eine eigene Firma für Geomarketing, die aus der Unit Kiezquadrat hervorgeht und voraussichtlich im April unter neuem Namen gelauncht wird. Es geht um Themen wie iBeacons, Adressable TV, Handzettel und ganz viel Big Data.

Crossmedia befindet sich in einer entscheidenden Phase seiner Geschichte. 2015 war hart, vor allem der Verlust des Vorzeigekunden Hornbach, der für etwa 7,5 Prozent des Incomes stand, schmerzte. Lidl konnte verteidigt werden, bleibt aber ein beliebtes Ziel der Networks. Auf der anderen Seite spielte die aktuelle Entwicklung, in der Beratungskompetenz und Agilität wichtiger werden, den Düsseldorfern in die Hände. Diese Chance sieht Biermann und will sie nutzen – zuzutrauen ist ihm das zweifellos.

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