„Humor ist Zeitgeist für die Jungen“

Schafft es ProSieben, trotz der Konkurrenz durch Streamingdienste für die Zielgruppe der 14- bis 39-Jährigen Marktführer zu bleiben? Matthias Bade, stellvertretender Geschäftsführer bei CROSSMEDIA, skizziert, was es braucht, um die junge Zielgruppe zu halten:

ProSieben ist die Marke für junge Zuschauer. Doch die Zielgruppe ist unberechenbar. Wie Senderchef Daniel Rosemann versucht, den Marktanteil zweistellig zu halten.

Beim Gespräch mit W&V im Rahmen der MIPTV in Cannes ist Daniel Rosemann die Anspannung der vergangenen Monate noch anzumerken. Es war eine bewegte Zeit für ihn, seit er im März 2016 als Senderchef bei ProSieben übernahm: Der Sender hatte nicht nur das Karriereende seiner Galionsfigur Stefan Raab zu verkraften. 2016 stand zusätzlich ein Sportjahr mit Olympia und Fußball-WM an, bei dem die öffentlich-rechtlichen Sender dominierten. ProSieben bescherte das im vergangenen Sommer zuweilen Marktanteile mit einer Acht vor dem Komma – deutlich schlechter als die üblichen zehn Prozent. Und auch der Jahresstart 2017 verlief wenig besser. Im Februar sackte der Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe auf 9,6 Prozent.
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Zögerliche Entwicklung der Werbeerlöse

Doch zunächst ein Blick auf 2016: Da hat der Sender bei den 14- bis 49-Jährigen insgesamt 0,5 Prozentpunkte Marktanteil im Vergleich zu 2015 verloren. Beim Gesamtpublikum wurde er erstmals vom Konkurrenten Vox überholt. Laut Matthias Bade, stellvertretender Geschäftsführer der Mediaagentur Crossmedia, lagen auch die Werbeeinnahmen unter den Erwartungen. Die Bruttowerbeeinnahmen von ProSieben sind zwar nach Nielsen von 2015 auf 2016 um drei Prozent gestiegen. Da die „andauernde TKP-Inflationierung des Senders immer höhere Rabattforderungen der Kunden nach sich zieht, werden die Nettoeinnahmen von ProSieben vom vergangenen Jahr nur sehr moderat gewachsen sein“, sagt Bade. In den ersten beiden Monaten des Jahres stagnierten die Werbeeinnahmen mit 0,7 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum. „Dies liegt zum Teil deutlich unter der Entwicklung von Mitbewerbern wie zum Beispiel RTL“, so Bade.
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Zielgruppe wandert zu Streamingdiensten ab

Das Durchschnittsalter des Senders liegt bei 37,4 Jahren. „In der Zielgruppe 14 bis 39 sind wir Marktführer“, sagt Rosemann, der ab Mai auch ProSieben Maxx verantwortet. Laut einer Erhebung des Marktforschungsunternehmens Statista schauen sogar 45 Prozent der 12- bis 19-Jährigen „am liebsten“ ProSieben; für RTL und ARD dagegen votieren nur 6 Prozent. Die demografische Entwicklung könnte für ProSieben jedoch zum Problem werden. Junge Seher gibt es sehr wenige – und vor allem: Es kommen immer weniger nach.

Zusätzlich buhlen vielfältige Angebote um die Gunst des TV-Nachwuchses. E-Games, Youtube, Snapchat sowie Instagram – auch sie fordern Zeit, Aufmerksamkeit und Engagement. Und nicht nur sie: „Die Zuschauer wandern ab zu Streamingdiensten wie Netflix“, sagt Bade. Ein wenig mitgeholfen hat dabei wohl auch ProSieben selbst. Mit Fünferblocks von The Big Bang Theory und abendfüllenden Wiederholungen von How I Met Your Mother hat der Free-TV-Sender den Streaminganbietern zugearbeitet. Denn dort funktioniert Binge-Watching noch besser. Bei Blockbuster-Spielfilmen, einem Genre, mit dem der Sender groß geworden ist, liegt der Fall ähnlich. „Heute werden Filme über Dienste wie Amazon konsumiert, lange bevor sie im Free-TV landen“, sagt der Mediaprofi.

Es würde also ein Strategiewechsel nottun. Matthias Bade plädiert dafür, mehr auf Show-Events zu setzen, weil diese live konsumiert werden müssen. „Hier wärmt ProSieben aber immer noch zu sehr die alten Highlights von Stefan Raab auf. Schlag den Star mit Elton kommt einfach nicht so gut an wie mit Stefan Raab. Da würde ich es lieber sein lassen und Neues wagen, als die Welle ewig zu reiten“, sagt Bade.
Der Mediaplaner wünscht sich mehr Mut – und meint zugleich selbstkritisch: „An dieser zögerlichen Haltung sind wir Agenturen mit unseren Kunden nicht ganz unschuldig, denn wir buchen ja nicht, wenn etwas nicht über x Folgen prognostizierbar ist.“ Er würde sich mehr Ausdauer aller Beteiligten wünschen, um innovativer zu werden.
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