Die erste kommerzielle Kampagne der DDR

Heute jährt sich der Berliner Mauerfall zum 25. Mal. Zum Jubiläum hat auch Markus Biermann seine persönlichen Erinnerungen im Zusammenhang dieses historischen Ereignisses festgehalten:

„Wie schon hier und da mal erwähnt, habe ich in meinem Leben verdammt viel Glück gehabt. Ein Glück war, dass ich im September 1989 als Mediaplanungs-Assistent bei der Baums, Mang und Zimmermann Werbeagentur in Düsseldorf tätig war. Über deren internationale Anbindung kam zum Mauerfall ein Auftrag herein, der mich die erste kommerzielle Kampagne auf dem Gebiet der DDR planen und realisieren ließ. Was für ein Hammer. Was für ein Glück. Natürlich fragt man sich im Nachhinein, was die Leipziger Montagsdemonstranten wohl mit mir gemacht hätten und ob ich wirklich stolz sein sollte, den Klassenfeind in Gestalt der Werbung für einen Wanderprediger in die DDR zu bringen. Mir war es nicht egal, ich führe auch nicht meine „Jugend“ als Entschuldigung ins Feld, aber es war dennoch eine geniale, einzigartige, immer in Erinnerung bleibende und wichtige berufliche Chance.

Wir hatten über eine Million Mark – Westgeld wohlgemerkt – zur Verfügung. Das Ziel war, möglichst viele Menschen zu einer Großveranstaltung vor den Reichstag in Ostberlin zu locken. Mit Billy Graham, der sich viel von den neuen Gläubigen versprach und sie beglücken wollte. Plakat, Funk und TZ sollten die Bevölkerung der DDR nach Jahren der verbannten Religiosität zu seinem Auftritt locken. Was heute in Zeiten von E-Mail, Flatrates, Smartphones und WhatsApp keinen mehr vor Schwierigkeiten stellt, sah damals ganz anders aus. Dazu muss man sich die folgenden Dinge auf der Zunge zergehen lassen:

– Es gab 1989 keine Mobilfunkgeräte in Westdeutschland – in Ostdeutschland schon gar nicht.

– Nicht jeder Haushalt in Westdeutschland hatte ein eigenes Festnetztelefon – in Ostdeutschland schon gar nicht.

– In Westdeutschland gab es schon Fax und 1990 wurde in fortschrittlichen Büros ISDN eingeführt.

– Wenn man in Ostdeutschland anrufen wollte, dann musste man sich über die Ostberliner Zentrale verbinden lassen.

– Und da die Technik Fax über die Telefonleitung transportiert wurde, mussten auch Faxe, wenn überhaupt vorhanden, darüber angesteuert werden.

– Wir kannten niemanden in Ostdeutschland. Und da es natürlich keine normale, einfache Einreise, keine Telefonbücher oder gar das Internet gab, musste man irgendwie die Ansprechpartner „googeln“, einen Brief schreiben, oder…

– Genau, über Telex kommunizieren. Telex ist die Erfindung, die das Telegramm verdrängt hat. Ich hab diese Maschine aus der staubigen Hülle der Poststelle befreit und mir das telexen beigebracht.

– Und: Es hat geklappt!

Es gab die erste kommerzielle Kampagne auf dem Gebiet der DDR. Mit dem Anzeigenleiter der Märkischen Allgemeinen in Potsdam mussten wir die Geldübergabe regeln. Seine Befürchtung war, dass das schöne Westgeld auf den Konten der konfiszierten SED-Konten landen könnte. Mit vielen meiner Gesprächspartner war es ein richtiges Abenteuer. Mit den meisten hat es wie so oft richtig Spaß gemacht, und die Annäherung an die „Ossis“ gelang mir trotz des delikaten Jobs ganz gut. Bis zu meinem Fauxpas auf die Frage wie ich denn hieße – der Herr fand die Maueröffnung und mein Ansinnen, Werbung im Berliner Rundfunk zu schalten, nicht nur widersinnig sondern geradezu widerwärtig – antwortete ich: „Biermann – wie der, den sie schon vor Jahren ausgewiesen haben.“ Aber das war ein Ausreißer.

Zur Krönung wurde das gesamte Team, unser damaliger Chef, Kirsten Lübke und ich samt Kreativteam zum Empfang in den Reichstag eingeladen.

Auch heute noch ein Wahnsinn. Gut, dass das Thema DDR hinter uns liegt.“
Markus Biermann